Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Ein Windstoß aus dem Nirgendwo blähte sein Gewand. Der Stoff teilte sich, und in seiner Tiefe erblickte ich eine einzige Abscheulichkeit von einem Gesicht: eine schmale, bläulich-graue Schnauze, aus der schiefe Reißzähne ragten, zwei große runde Augen – leblos, kalt und fremdartig, wie die Augen eines Kalmars – und darüber, in der Mitte der Stirn, eine weiche, hellgrüne Beule, die grotesk herzartig pochte. Aus dieser Beule leckten zwei graue Ichorspuren zwischen den grausam blickenden Augen hinab.
Ein grünes Gewirr brach aus den Ärmeln des Gewands hervor und faserte sich zu Tentakeln auf, die den Türsturz ergriffen und den Kapuzenmann emporhoben. So hing er im Netz seiner Fangarme. Die Beule pochte schneller. Sein Flüstern drang in die Wohnung, so mächtig, dass ich es auf der Haut spürte. » Steh beiii …«
Die Magie ging von ihm aus wie ein Kanonenschuss. Das Wehr an meiner Wohnungstür platzte wie Seidenpapier auseinander, und der Schuss traf mich mit voller Wucht und drang dann zum Küchenfenster hinaus. Wenn die Magie gegenständlich gewesen wäre, wäre im ganzen Haus kein Stein auf dem anderen geblieben. Schockiert von dieser Macht, brauchte ich einen Moment, bis mir klar wurde, dass nun keine Wehre mehr die Tür vor mir und das Fenster hinter mir beschirmten.
Eine kräftige schwarze Haarsträhne packte mich an der Taille und riss mich mit fürchterlicher Gewalt nach hinten, zu dem zerbrochenen Fenster hin. Ich knallte an das aufgebogene Gitter. Schmerzen schossen mir tief in den Rücken. Ich schrie.
Eine andere Haarsträhne peitschte meinen Arm. Julie erstarrte, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. Das Haar umschloss mich immer fester. Ich konnte mich nicht wehren. Eine Stahlmanschette drückte mir die Lungen zu. Gleich würde ich ohnmächtig werden, und dann würden sie sich Julie schnappen.
» Töte …«, krächzte der Kapuzenmann. Zähne schlugen in meine Schulter und wichen wieder zurück. Die Kampfschnepfe kreischte, hatte sich an meinem Blut verbrannt.
Sie war untot. Man konnte sie lenken wie einen Vampir. Ich versuchte, geistig in sie einzudringen, prallte aber an der Abwehr des Kapuzenmannes ab. Da war kein Durchkommen.
Das Haar quetschte mich weiter. Ich hatte keine andere Wahl.
Der Schmerz zerriss mir förmlich den Rücken. Ich spannte mich an und stieß ein einziges Wort aus. » Amehe .« Gehorche.
Dieses Macht-Wort auszusprechen kostete mich Höllenqualen, es fühlte sich an, als würden mir die Eingeweide herausgerissen. Die Abwehrmauer, die den Geist der Kampfschnepfe beschirmte, zerbrach. Der Kapuzentyp in seinem Tentakelnetz heulte auf.
Nun lag das klaffende Loch, das den Geist der Kampfschnepfe bildete, offen vor mir. Ich packte es und drückte zu. Die Haarschlinge lockerte sich. Das Haar hielt mich immer noch fest, doch der fürchterliche Druck war fort.
Ich sah nun mit den Augen der Schnepfe und gleichzeitig mit meinen eigenen Augen. Mit diesem Doppelblick sah ich Julie in Embryonalhaltung auf dem Boden kauern. Der Kapuzenmann starrte mich an. Ich spürte ihn im hintersten Winkel des Schnepfengeistes lauern. Er strotzte vor Hass, nicht nur auf mich, sondern auf alles, was ich für ihn darstellte. Er schäumte innerlich, vermochte seinen Zorn kaum zu bändigen, war ein bösartiges, scheußliches Wesen, das das Ende der Menschheit herbeisehnte. Widerwille schoss in mir empor, eine instinktive xenophobe Reaktion, so übermächtig, dass sie alle Vernunft zu überwältigen drohte.
Ich zwang das Haar, sich zu lösen. Zögernd ließ es von mir ab. Doch selbst mit einem Macht-Wort vermochte ich die Kampfschnepfe nicht allzu lange zu beherrschen. Wenn ich auch nur einen Moment lang nicht aufpasste, würde der Kapuzenmann wieder die Kontrolle an sich reißen.
Ich trat einen Schritt beiseite und zerrte die Schnepfe zwischen den Gitterstäben hindurch in die Küche.
Jetzt pass mal auf, du Scheißvieh.
Meinem unausgesprochenen Befehl folgend, schlug die Schnepfe ihren Kopf mit voller Wucht an die Wand.
Erster Schlag: Der Putz bröckelte, und die Ziegelsteine darunter kamen zum Vorschein.
Zweiter Schlag: Ein roter Fleck entstand.
Dritter Schlag: Der Schädel brach wie ein aufgeschlagenes Hühnerei.
Du kriegst mein kleines Mädchen nicht, hörst du?
Die Schnepfe holte zu einem letzten Kopfschlag aus, und roter und grauer Schleim liefen ihr schon aus dem Schädel. Die Präsenz des Kapuzenmannes schwand. Dann setzte ich die Schnepfe in Bewegung und verschwand
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