Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Hyänen gebe ich dir eine Eskorte mit.«
»Danke, aber ich finde den Weg auch allein.«
Er schüttelte den Kopf. »Du solltest jetzt nicht mit mir streiten.«
Zwei Minuten später ritt ich auf einem Pferd zum Haus der Bouda, begleitet von vier ernst und geschäftsmäßig dreinblickenden Werwölfen. An einer unsichtbaren Grenze blieben sie zurück. Wie einer von ihnen mir netterweise erklärte, hatte jeder Gestaltwandlerclan rings um seinen Versammlungsort Anspruch auf eine gewisse Privatsphäre.
Das Boudaweibchen, das Jim versprochen hatte, dass sie lächeln würde, wenn sie seine Knochen zerbiss, saß immer noch auf der Veranda. Sie sah zu, wie ich vom Pferd stieg und Esmeraldas Bücher aus dem Einspänner holte, der immer noch vor dem Haus stand.
»Da bist du ja wieder«, sagte sie. »Ich hab mir deine Süße mal angesehen, während du weg warst. Sie ist echt ein scharfes Teil. Steht sie auf Mädels?«
»Das weiß ich wirklich nicht.«
»Was macht sie an? Süßigkeiten? Musik? Was mag sie?«
»Schusswaffen.«
»Schusswaffen?«
»Yep.«
Die Bouda runzelte die Stirn. »Mit so was kenne ich mich nicht aus. Dann wird’s wohl nix mit uns beiden, was? Menno! Jetzt weiß ich gar nicht mehr, ob ich’s bei ihr versuchen sollte.«
Ich musste an Curran denken. » Männer sind dumme Scheißkerle«, sagte ich.
Sie nickte. »Aber Frauen sind auch nicht viel besser. Heulsusen und hysterische Zicken, die meisten jedenfalls.« Sie überlegte. »Typen können aber auch ganz nett sein. Ich empfehle ja Raphael. Er ist der geduldigste Typ, den wir haben, daher hat er viel Erfolg bei den Frauen. Aber im Moment genießt, glaube ich, deine Süße seine ungeteilte Aufmerksamkeit.«
Ich fand Andrea und Tante B in der Küche an einem kleinen runden Tisch. Sie tranken Tee. Der Anblick, wie Andrea die Teetasse an ihre Hyänenschnauze hob, erschien mir irrsinnig komisch. Ich musste mich sehr beherrschen, um nicht laut loszulachen. Das mussten die Nerven sein.
Wenn sie jetzt nach Keksen gefragt hätte, hätte ich mich nicht mehr halten können.
Als Andrea mich erblickte, wurde sie merklich förmlicher. »Wie ist es gelaufen?«
»Was meinst du?«
Tante B seufzte. »Sie will wissen, ob Curran nun kommt, um sie zu töten.«
»Oh. Nein, er ist nicht daran interessiert, dich zu ermorden. Glaub mir, du bist derzeit das kleinste seiner Probleme.«
Andrea atmete auf.
»Sagt mir bitte, dass es hier Kaffee gibt.«
Tante B verzog das Gesicht. »Die sind doch auch so schon verrückt. Wenn ich ihnen auch noch Kaffee gestatten würde, würden sie nur noch die Wände hochgehen. Wir können dir einen schönen Kräutertee anbieten.«
Ich legte meine Bücher auf den Tisch.
»Du siehst aus, als könntest du ein wenig Schlaf brauchen.« Andrea servierte mir eine Tasse Tee.
Ich musste Julie finden, ich musste ihre Mutter finden, ich musste einen Soziopathen dazu bringen, zum Wohle der Menschheit ein wenig Blut zu spenden, und ich musste mich einem mit Tentakeln bewehrten Scheusal und seiner tollwütigen Meerjungfrauen erwehren. Ich brauchte dringend Kaffee.
Ein Boudamännchen kam in die Küche geschlendert. Er trug eine schwarze Lederhose und eine Lederweste, die seine wie gemeißelte Brust bestens zur Geltung brachte. Er war nicht im konventionellen Sinne gut aussehend, eher im Gegenteil: Seine Nase war zu lang, und sein Gesicht war zu schmal, aber er hatte leuchtend blaue Augen und perfekt frisiertes schwarzes Haar, und er setzte das, was er hatte, zu seinen Gunsten ein. Aus einem weiblichen Instinkt heraus wusste man bei seinem Anblick, dass er gut im Bett war, und wenn er einen ansah, kam man unwillkürlich auf sündige Gedanken.
Er blickte mit einem seltsamen Verlangen zu Andrea hinüber, richtete seine Aufmerksamkeit dann auf mich und streckte mir die Hand entgegen. »Tut mir leid wege n … der kleinen Auseinandersetzung in der Kutsche. Das war nur Spaß. Ich bin Raphael.«
»Der sich so gerne wehtun lässt.« Ich streckte ihm die Hand entgegen, um seine zu schütteln, doch er ergriff sie und hauchte einen Kuss darauf, und dabei sah er mich mit einem Blick an, der mir durch und durch ging.
Ich zog meine Hand zurück. »So, jetzt bin ich wach.«
Er schenkte mir ein makelloses Lächeln. »Dein letztes Mal ist schon eine Weile her?«
Aus irgendeinem Grund war mir danach, diese Frage zu beantworten. »Fast zwei Jahre. Und ich wäre dir dankbar, wenn du dein Lächeln um ein paar Watt dimmen könntest. Ich kriege schon weiche
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