Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Knie.«
Raphael trat einen Schritt zurück. Sein Gesicht nahm den gleichen besorgten Ausdruck an, den ich von Doolittle kannte, wenn ich ihm versicherte, dass es mir bestens ginge. »Zwei Jahre? Das ist aber viel zu lang. Wenn du willst, können wir uns darum kümmern. Nach zwei Jahren ist das ja die reine Therapie.«
»Nein danke. Curran hat bereits angeboten, mir bei diesem Problem behilflich zu sein, und da ich ihm eine Absage erteilt habe, will ich hier keine Reibereien zwischen euch beiden auslösen.«
Das Letzte, was ich wollte, war, einen Streit zwischen Curran und den Hyänen vom Zaun zu brechen.
Raphael wich mit erhobenen Händen zurück und stellte sich hinter Andrea. »War nicht böse gemeint.«
»Ich hab’s auch nicht so verstanden.«
»Ist das Currans Ernst?«, fragte Tante B.
Sie wollte vermutlich wissen, ob sie nun einen Eiertanz um mich veranstalten musste. Dieses eine Mal war ich froh, sie zu enttäuschen. »Nein, er führt sich bloß wie ein Blödmann auf. Anscheinend gucke ich jedes Mal, wenn er mich ›Baby‹ nennt, als hätte man mich mit einem rot glühenden Schürhaken gepiekst. Er amüsiert sich jedenfalls köstlich.« Ich trank einen Schluck Tee.
Tante B sah mich mit einem seltsamen Blick an. »Weißt du«, sagte sie und rührte in ihrem Tee, »die schnellste Methode, ihn loszuwerden, ist, mit ihm zu schlafen. Und dann sagst du ihm, dass du ihn liebst. Am besten noch im Bett.«
Ich musste lachen, und fast wäre mir der Tee zur Nase wieder rausgekommen. »Da würde er schnellstens Reißaus nehmen.«
Raphael legte Andrea seine Hände auf die Schultern. »Na, immer noch ein bisschen verspannt?« Dann begann er, sacht ihre Muskeln zu massieren.
»Wirst du es tun?« Tante B sah mich über den Rand ihrer Tasse hinweg an.
»Nicht in diesem Leben, nein.«
»Hat er dich denn schon zum Essen ausgeführt? Geschenke, Blumen, das übliche Programm?«
Ich musste meinen Becher absetzen, denn ich konnte vor Lachen die Hand nicht mehr ruhig halten. Als ich wieder Luft bekam, sagte ich: »Geschenke und Blumen? Curran? Der ist nicht gerade der geborene Galan. Er hat mir mal eine Schale Suppe gereicht, aber weiter ist es mit uns nie gekommen.«
»Er hat dir etwas zu essen gegeben?« Raphael hielt mit der Massage inne.
»Was ist da passiert?« Tante B starrte mich an. »Erzähl es ganz genau. Das ist wichtig.«
»Ich lag verletzt im Bett, und er hat mir eine Schale Hühnersuppe gereicht. Nein, ich glaube, es waren zwei oder drei Schalen. Und er hat mich als Idiotin beschimpft.«
»Und du hast die Suppe angenommen?«, fragte Tante B.
»Ja. Ich hatte Hunger. Wieso glotzt ihr drei mich denn so an?«
»Um Himmels willen.« Andrea stellte ihre Tasse ab und verschüttete dabei ein wenig Tee. »Der Herr der Bestien hat dir Suppe kredenzt. Denk doch mal nur einen Augenblick lang darüber nach.«
Raphael hüstelte. Tante B beugte sich vor. »War sonst noch jemand im Raum?«
»Nein. Er hatte alle anderen rausgeschickt.«
Raphael nickte. »Na, dann hat er es immerhin noch nicht öffentlich gemacht.«
»Das wird er womöglich nie tun«, sagte Andrea. »Es würde ihre Position innerhalb des Ordens gefährden.«
Tante B blickte ernst. »Das dringt nicht aus diesem Raum heraus. Hast du gehört, Raphael? Kein Gerede, kein Bettgeflüster. Wir wollen keinen Ärger mit Curran.«
»Wenn ihr mir das alles nicht sofort erklärt, muss ich jetzt jemanden erwürgen.« Raphael hätte das natürlich gefalle n …
»Essen hat eine ganz besondere Bedeutung«, sagte Tante B.
Ich nickte. »Essen hat etwas mit der Hierarchie zu tun. Niemand isst etwas vor dem Alpha, es sei denn, es wurde ausdrücklich erlaubt, und kein Alpha isst in Currans Gegenwart etwas, ehe Curran einen Bissen zu sich genommen hat.«
»Da steckt noch mehr dahinter«, sagte Tante B. »Tiere drücken ihre Zuneigung durch Nahrung aus. Wenn eine Katze dich mag, lässt sie eine tote Maus auf deiner Veranda liegen, weil du ja so ein miserabler Jäger bist und sie der Meinung ist, sie müsste für dich sorgen. Wenn ein Gestaltwandlerjunge ein Gestaltwandlermädchen mag, bringt er ihm etwas zu essen, und wenn es ihn ebenfalls mag, kocht es etwas für ihn. Und wenn Curran einer Frau sein Interesse zeigen will, führt er sie zum Essen aus.«
»In der Öffentlichkeit«, fügte Raphael hinzu, »legen die Väter der Gestaltwandler stets die ersten Bissen auf die Teller ihrer Frau und ihrer Kinder. Das signalisiert, dass jemand, der die Frau oder das Kind
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