Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
an.
Möbelstücke und Stofffetzen lagen überall auf dem Boden. Holzsplitter ragten aus der Wand, die voller Kerben und Löcher war. Die Tür zur Bibliothek war verschwunden. Die Bücherregale waren zu Holzmehl pulverisiert worden. Vier Dutzend Glasflaschen waren zerschmettert worden, ihr Inhalt hatte sich über den Boden ergossen, wo er sich mit herausgerissenen Seiten seltener Bücher und den Überresten von Gregs kostbaren Artefakten vermischte. Kräuterstaub wirbelte in der Zugluft, die durch die zerschlagenen Fenster hereindrang.
Meine Wohnung war nicht nur verwüstet worden. Man hatte sie dem Erdboden gleichgemacht, als wäre ein Tornado hindurchgerast.
Die Badezimmertür war aus den Angeln gerissen worden. Sie war mit tiefen Furchen versehen, die viel zu groß für Grendels Krallen waren. Anscheinend war Erra als Bestie gekommen. Ich sah mich im Bad um. Kein Grendel. Aber auch kein Blut. Sie hätte den Kadaver für mich zur Schau gestellt, wenn sie den Hund getötet hätte.
In der Küche klafften Löcher im Putz, wo sie die Schränke von der Wand gerissen hatte. Das Holz war unregelmäßig zerbrochen. Sie hatte die Sachen zertrampelt.
Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück, wobei ich über die verstümmelten Bücher stieg. Einer von Gregs Langdolchen steckte in der Wand – in den Fotos von Julie. Sie waren von Schnitten durchzogen. Erra hatte Julie immer wieder ins Gesicht und vor allem in die Augen gestochen. Meine Wirbelsäule verwandelte sich in einen Eiszapfen. Wenn sie Julie gefunden hätte, würde ich jetzt die Leiche meines Kindes mit ausgestochenen Augen in den Armen wiegen.
Ich musste der Welt einen großen Gefallen tun und die Hexe töten.
Als Greg gestorben war, hatte er mir das Apartment und seinen gesamten Besitz hinterlassen. Die Bücher, die Artefakte, die Waffen. Ich konnte das alles nicht im Stich lassen. Ich war hierhergezogen, nach Atlanta, um die Erinnerung an ihn lebendig zu halten. Er war meine letzte Verbindung zu etwas, das Ähnlichkeit mit einer Familie hatte. Ich hatte seine Stelle im Orden eingenommen und sein Apartment in ein Heim verwandelt. Mein Heim. Meine vier Wände, in denen ich mich sicher fühlte. Eine Zuflucht für mich und für Julie. Und Erra hatte das alles geschändet. Sie hatte es zerstört.
Hier ließ sich nichts mehr retten. Alles war verloren. Es war nicht mehr möglich, die Bibliothek zu restaurieren oder die Wohnung wieder in ihren vorigen Zustand zu versetzen. Die Verwüstung war so gründlich, dass es nie mehr wie früher sein würde.
Es fühlte sich ein bisschen wie Sterben an. Ich hatte dem Tod oft genug ins Auge geblickt, um zu erkennen, dass ich mich in einer Grabkammer befand. Ich hätte mehr empfinden müssen, eine tiefere Trauer, das Gefühl eines unersetzbaren Verlusts, aber ich stand nur wie betäubt da.
Sie hatte zugeschlagen und mich getroffen. Jetzt war es an der Zeit zurückzuschlagen.
Ein leises Geräusch kam aus dem Treppenhaus. Grendel stürmte in die Wohnung und sprang mich an.
»He, du blöder Hund!«
Ich packte ihn und umarmte seinen müffelnden Hals. Mit den Händen tastete ich seinen Körper ab. Kein Blut. Sein Pulli hing ihm in Fetzen vom Leib, aber er schien unversehrt zu sein.
»Lass uns von hier verschwinden.«
Ich ging zur Tür hinaus, gefolgt von meinem Hund, und blickte nicht mehr zurück.
Zwanzig Minuten später kamen wir bei Andrea an, wo ich meine wahnsinnigen detektivischen Fähigkeiten einsetzte, um zu schlussfolgern, dass sie nicht zu Hause war. Ihre Tür war abgeschlossen, und niemand meldete sich, als ich anklopfte. Wahrscheinlich war sie bei Raphael. Damit blieb mir nur noch eine Möglichkeit: der Orden. Außerdem hatte der Orden einen zusätzlichen Vorteil: Wehre von militärischer Wirksamkeit. Man brauchte schon eine kleine Armee von Magiern, um sie zu durchbrechen. Oder meine Tante. Welch beruhigende Vorstellung!
Ich schleppte mich zum Gebäude des Ordens. Ich war wieder todmüde, und die Erschöpfung machte mich langsam und dumm. Ich brauchte mehr als eine Minute, um die Klappliege aus dem Lagerraum zu holen. Ich stellte sie in meinem Büro auf und brach darauf zusammen. Grendel ließ sich neben mir fallen, dann verloren wir schlagartig das Bewusstsein.
*
Meine Reaktionszeit war phänomenal. Das war der Grund, warum ich Andrea nicht mit meinem Schwert erstach, als sie in mein Büro platzte. Stattdessen ließ ich Slayer einen Sekundenbruchteil, nachdem ich das Heft ergriffen hatte, wieder fallen und setzte
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