Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Gitterstäbe fehlen.« Offenbar hatte er auch die Alarmanlage abgeschaltet. Während einer magischen Woge hätte er die Wehre nie im Leben überwinden können.
Sie starrte auf das Fenster, wo die Befestigungen eines einstmals stabilen Metallgitters traurig ins Leere ragten. »Gut geraten.«
»Vielen Dank. Ich bin eine ausgebildete Ermittlerin. Das ist einfach unser Metier.«
Andrea verdrehte die Augen. »Falls er irgendwas angestellt hat, kann ich es nicht erkennen. Tut mir leid.«
»Trotzdem danke.«
Sie ging. Ich trottete zum Gemeinschaftsraum und besorgte mir einen kleinen Donut und eine Tasse Kaffee. Als ich zurückkam, sah mein Büro unverändert aus. Nichts war verrückt worden. Nichts, was mir ins Auge sprang. Was hatte er nur getan? Vielleicht hatte er sich an meinem Schreibtisch zu schaffen gemacht. Ich setzte mich auf den Stuhl und zog nacheinander die Schubladen auf. Nein, all mein magischer Krempel befand sich genau dort, wo er hingehörte.
Das Telefon klingelte. Ich nahm ab.
»Sitzt du?«, fragte Currans Stimme.
»Ja.«
»Gut.«
Klick.
Ich horchte auf das Tuten. Wenn er wollte, dass ich saß, sollte ich mich erheben. Ich erhob mich. Der Stuhl hob sich mit mir, und ich landete mit dem Gesicht auf dem Schreibtisch, während der Stuhl an meinem Hintern kleben blieb. Ich griff danach und versuchte ihn abzuziehen, aber er war fest mit mir verbunden.
Ich würde ihn ermorden. Ganz langsam. Und ich würde jede Sekunde genießen.
Ich setzte mich wieder hin und versuchte mich vom Stuhl zu stemmen. Ohne Erfolg. Ich hielt mich an der Tischkante fest und drehte mich zur Seite. Die Stuhlbeine schrammten knirschend über den Teppich.
Okay.
Ich nahm das Telefon in die Hand und wählte Andreas Anschluss.
»Ja?«
»Er hat mir den Stuhl am Arsch festgeklebt.«
Stille.
»Äh … klebt er immer noch dran?«
»Ich kriege ihn nicht ab.«
Andrea gab glucksende Laute von sich, die verdächtig nach unterdrücktem Gelächter klangen. »Tut’s weh?«
»Nein. Aber ich kann nicht aufstehen.«
Das Glucksen ging in ein Stöhnen über.
» Besucher «, raunte Maxine in meinem Kopf.
Na großartig! Ich legte auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn man mit dem Hintern auf einem Stuhl festklebt, kann man nur sitzen bleiben und hoffen, einen möglichst professionellen Eindruck zu machen.
Ein vertrauter Mann trat in mein Büro. Er war von durchschnittlicher Größe und durchschnittlichem Körperbau und hatte ein angenehm unauffälliges Gesicht, das keine intensiven Regungen zeigte. Wenn man auf der Straße an ihm vorbeiging, würde man ihn vielleicht genauso übersehen, wie man ein bekanntes Gebäude übersah. Er war wie eine leere Tafel, abgesehen von den Augen und dem schwarzen Mantel. Er war elegant und bestand aus einer Art Wolle, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
»Hallo, Saiman.«
»Guten Morgen.«
Er zögerte. Vielleicht hoffte er, dass ich aufstand, um ihn zu begrüßen. Keine Chance.
»Was kann ich für dich tun?«
Saiman setzte sich auf den Besucherstuhl und blickte sich in meinem Büro um. »Das ist also dein Arbeitsplatz?«
»Mein geheimes Hauptquartier.«
»Deine Batcave?«
Ich nickte. »Jeden Augenblick kann Robin reinkommen.«
Der Kampfpudel zeigte Saiman die Zähne.
»Er ist entzückend.«
»Woraus ist dein Mantel gemacht?«
Saiman sah mich irritiert an. »Aus Kaschmir.«
Ich wusste nicht, dass man aus Kaschmir Mäntel machen konnte. »Ist er warm?«
»Sehr.« Er lehnte sich zurück.
»Und wozu brauchst du ihn?« Ich hatte ihn schon einmal dabei beobachtet, wie er nackt im Schnee getanzt hatte, während Schneeflocken ihn wie glückliche Welpen umschwirrten.
Er zuckte mit den Schultern. »Man muss den Anschein wahren. Apropos Anschein … deine Batcave sieht irgendwie … wie heißt das Wort, nach dem ich suche?«
»Spartanisch? Zweckmäßig?«
»Sie sieht schäbig aus.«
Ich bedachte ihn mit einem finsteren Blick. »Schäbig?«
»Heruntergekommen. Womit wir übrigens beim Thema wären.« Er griff unter seinen schicken Mantel und zog den Bericht hervor, den ich ihm am Tag zuvor gegeben hatte. Meine bisherige Zusammenfassung des Falls, mit einer Auflistung aller Fakten, Erkenntnisse und Theorien. »Ich habe dein Resümee gelesen.«
»Und?«
»Es ist nicht inkompetent.«
Nicht zu heftig pochen, mein Herz, damit ich angesichts eines solchen Lobes nicht in Ohnmacht falle. »Hast du erwartet, dass ich ihn mit dem Kalligrafiepinsel schreibe?«
Saiman zog eine Grimasse
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