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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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bewältigte den Abstieg mit gewohnter Eleganz. Draußen ließ er keinerlei Anzeichen von Trunkenheit erkennen. Er stolperte nicht, und er sprach nicht schleppend, was ihm jedoch nicht zum Vorteil gereichte. Einem Betrunkenen würde Curran vielleicht einiges verzeihen, aber nicht einem Mann, der völlig nüchtern wirkte.
    Draußen rieselte Schnee vom schwarzen Himmel und überzog den Boden mit einer weichen, weißen Decke. Saiman hob eine Hand, und Schneeflocken umwirbelten seine Finger.
    »Hübsch, nicht wahr?«
    »Sehr hübsch.« Ich dirigierte ihn zum Wagen.
    Schließlich hatten wir den Parkplatz überquert. Saiman schnippte mit den Fingern und hatte plötzlich die Schlüssel in der Hand.
    »Du solltest nicht fahren«, sagte ich zu ihm.
    »Im Gegenteil, das sollte ich unbedingt.«
    Ein normaler Mensch wäre längst an Alkoholvergiftung gestorben, aber er wollte fahren. »Gib mir die Schlüssel.«
    Er dachte darüber nach, während er mit dem Schlüsselbund spielte. »Was bekomme ich, wenn ich dich fahren lasse?«
    Ich spürte den Druck eines Blickes, als hätte ein Scharfschütze durch ein Zielfernrohr meinen Rücken ins Visier genommen. Ich drehte mich um. Das Gebäude ragte etwa dreißig Meter hinter mir empor. Die doppelte Glastür, die auf den Balkon hinausführte, schwang auf, und Curran trat heraus.
    »Was bekomme ich, wenn ich dich fahren lasse, Kate?«
    Ich riss ihm die Schlüssel aus der Hand. »Dein Leben! Steig in den Wagen.«
    »Immer mit der Ruhe …«
    Ich öffnete die Verriegelung, riss die Beifahrertür auf und schob ihn auf den Sitz.
    Currans Augen leuchteten golden. Er schüttelte seine Lederjacke ab, packte mit beiden Händen den Kragen seines Rollkragenpullovers und riss ihn entzwei.
    Ich sprang in den Wagen und trat das Gaspedal durch.
    Im Rückspiegel sah ich, wie Curran seine Hosen aufriss. Sein Fleisch brodelte, und darunter tauchte ein Monster auf.
    »Wozu die Eile?«, fragte Saiman.
    »Sieh selbst.«
    Der Mann war nicht mehr da. An seiner Stelle stand eine Bestie, dunkelgrau und mit straffen Muskeln bepackt. Ich erhaschte einen Blick auf große Fangzähne in einem Gesicht, das weder löwenartig noch menschlich war, dann sprang er vom Balkon auf den Dachvorsprung unter ihm.
    »Er jagt uns.« Saiman starrte durch das Heckfenster. »Er macht tatsächlich Jagd auf uns!«
    Er jagt dich. Mir wird er nichts tun. »Was hast du erwartet?«
    Saimans Gesicht zeigte einen schockierten Ausdruck. »Er hat jeden Anschein von Menschlichkeit aufgegeben.«
    Ich ging in eine scharfe Kurve. Die Reifen drehten durch. Das Fahrzeug brach aus und streifte eine Schneewehe. Ich kämpfte mit dem Lenkrad, bis ich den Wagen wieder unter Kontrolle gebracht hatte, dann rasten wir die Straße entlang.
    Curran tauchte auf dem Gebäude hinter uns auf. Er flog durch den Nachthimmel, als hätte er Flügel, und landete auf einem Schindeldach. Das Mondlicht verfing sich in seiner zottigen Mähne. Er nahm Anlauf, überwand einen weiteren Abgrund zwischen zwei Gebäudeteilen und folgte uns, indem er mit weiten Sprüngen von einem Dach zum anderen setzte.
    Ich bemühte mich, deutlich zu sprechen, in der Hoffnung, den Nebel in Saimans Gehirn zu durchdringen. »Wir fahren zu meiner Wohnung. Ich steige aus. Du übernimmst das Lenkrad und fährst, so schnell du kannst. Das ist deine einzige Chance.« Und meine einzige Chance, meine Schwierigkeiten ohne Störungen von außen zu bewältigen.
    Saiman antwortete nicht. Die Haut seines Gesichts und seiner Hände floss und bildete eine neue Gestalt aus, um gleich darauf erneut sein Aussehen zu ändern, als hätte sich sein Körper verflüssigt.
    »Was tust du da?«
    »Den Alkohol verbrennen.« Er blickte sich wieder um. »Er ist immer noch da!«
    »Hilf mir bei der Navigation. Ich weiß nicht, wohin ich fahre.«
    »Bieg an der nächsten Kreuzung nach links ab. Dann wirst du eine Brücke sehen. Fahr drauf.«
    Ich bog ab und betete, dass die Technikphase anhielt. Wenn uns jetzt eine magische Woge traf, steckten wir richtig in der Scheiße.

Kapitel 17
    D reißig Minuten später kamen wir mit quietschenden Reifen vor meinem Wohnhaus zum Stehen. Ich sprang mit Slayer in der Hand aus dem Auto. Saiman wechselte auf den Fahrersitz. Die Reifen drehten durch und versprühten Schnee. Ich sprang zurück. Der Wagen fuhr rückwärts, rollte über die Stelle, wo sich noch eine halbe Sekunde zuvor meine Füße befunden hatten, und raste in die Nacht hinaus.
    Er hätte mich fast überfahren. Feigling.

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