Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Saiman hatte ihn vor Mitgliedern des Rudels zutiefst beleidigt. In diesem Moment saß Curran im Privatzimmer und malte sich aus, wie er den Speisesaal mit Girlanden aus Saimans Eingeweiden dekorieren würde. Früher oder später würde er herauskommen, und ich war außerstande, eine Garantie dafür zu geben, dass ich Saiman vor ihm schützen konnte.
Ich wollte eine Konfrontation. Ich wollte Curran die Flasche auf dem Schädel zerschlagen. Aber sobald wir damit anfingen, würde ich völlig vergessen, dass Saiman da war. Ich wäre so sehr damit beschäftigt, Curran Schmerzen zuzufügen, dass ich auf nichts anderes mehr achten würde. Es gab einen Grund, warum die erste Regel der Bodyguards lautete: »Sei dir jederzeit bewusst, wo sich dein ›Body‹ befindet.« Sobald man den Menschen, den man beschützen sollte, aus den Augen verlor, wurde er angreifbar. Curran war ein tödlicher Mistkerl. Ich konnte es mir nicht leisten, Saiman in Gefahr zu bringen.
Ich versuchte es mit vernünftigen Argumenten. Ich versuchte es mit Drohungen. Saiman bewegte sich keinen Millimeter von seinem Stuhl weg und schien wild entschlossen, sich als Leiche aus diesem Raum tragen zu lassen. Einfach wegzugehen und zu hoffen, dass er mir folgte, kam nicht infrage. Ich musste davon ausgehen, dass Curran, sobald ich außer Sichtweite war, aus dem Zimmer stürmte. Und Saiman war zu schwer, als dass ich ihn hätte hinaustragen können. Ich hätte mir übernatürliche Kraft gewünscht, wie Andrea sie hatte, um ihn mir über die Schulter zu werfen und hinauszuschleifen.
Jim kam aus dem Privatzimmer und auf uns zu. Er bewegte sich mit entspannter Lässigkeit, ein Schlägertyp, der spazieren ging. Die Leute zogen sich dezent von ihm zurück. Eigentlich war es unmöglich, sich kleiner zu machen, wenn man bereits saß, aber irgendwie schafften sie es.
Er blieb an unserem Tisch stehen und starrte Saiman an. Jim sprach mit leiser, sanfter Stimme, doch seine Worte troffen vor Boshaftigkeit. »Wenn Sie jetzt gehen, allein, wird der Herr der Bestien Sie unbehelligt lassen.«
Saiman lachte, leise und humorlos. »Ich brauche seine Zusicherungen nicht. Ich genieße mein Rendezvous und beabsichtige, auch den Rest des Abends in Kates Gesellschaft zu verbringen.«
Jim wandte sich mir zu und sprach mit übertriebener Deutlichkeit. »Benötigst du Unterstützung?«
Ja. Ja, unbedingt. Bitte schlag den Trottel an meiner Seite bewusstlos und hilf mir, ihn von hier wegzuschaffen. Ich löste meine zusammengebissenen Zähne. »Nein.«
Ein triumphierendes Lächeln spielte um Saimans Lippen. Ein kräftiger Schlag, und er könnte sich die Zähne aus seiner perfekten Frisur pflücken.
Jim beugte sich näher heran. »Wenn du ohne ihn gehen möchtest, lasse ich dich unbehelligt ziehen.« Seine Augen nahmen einen grünen Schimmer an.
»Ich bin verpflichtet, an diesem Abend bei ihm zu bleiben. Aber ich weiß das Angebot zu schätzen.«
Jim nickte und zog sich zurück.
Wenn Wut Wärme erzeugen würde, hätte ich längst den Siedepunkt überschritten. Verzweifelte Situationen erforderten verzweifelte Maßnahmen. Ich kratzte den kleinen Rest an weiblicher Hinterlist zusammen, den ich noch besaß, und berührte Saimans Hand. »Saiman, wenn du mir einen großen Gefallen tun willst, lass uns bitte gehen.«
Er hielt inne, als er das Glas halb zum Mund gehoben hatte. »Ich freue mich darauf, ihn noch ein wenig zu quälen, wenn er wieder herauskommt.«
Dummkopf! Idiot! Volltrottel! »Du hast ihm deinen Standpunkt bereits klargemacht, und ich bin müde und erschöpft. Ich möchte einfach nur gehen und in meiner Küche einen Kaffee trinken.«
Sein Geist brauchte einen Moment, um sich durch die alkoholische Trübung zu kämpfen. Er zog die Augenbrauen hoch. »Lädst du mich zu einer privaten Tasse Kaffee in deinem Apartment ein?«
»Ja.« Ich würde ihm zuerst Kaffee und dann eine kräftige Tracht Prügel servieren. Großzügigkeit war eine Tugend, und ich war in der Stimmung, ihm gegenüber besonders tugendhaft zu sein.
Saiman stieß einen theatralischen Seufzer aus. »Mir ist klar, dass das ein Bestechungsversuch ist, aber nur ein Idiot würde ein solches Angebot ablehnen.«
»Sei kein Idiot.«
Er zahlte die Rechnung. Mit etwas Glück blieben das Volk und das Rudel noch ein Weilchen in Klausur.
Wir verließen den Saal und stiegen die Treppe hinunter. Ich passte wie ein Schießhund auf Saiman auf, weil ich damit rechnete, dass er auf den Stufen strauchelte, aber er
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