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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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ihnen nun mit dem prahlerischen Gehabe von Immer-Eintauchern, dass sie absolut nichts wussten über das Leben oder auch nur über die Sprachen im Außen und so weiter.
    »Na los, frag mich was«, forderte ich Scile auf. Das war das Erste, was ich je zu ihm sagte. Ich weiß genau, wie ich auf ihn geblickt haben musste: Auf meinem Hochstuhl lehnte ich mich zurück, drehte mich so, dass mein Rücken teilweise auf der Thekenoberfläche ruhte, und legte meinen Kopf in den Nacken, sodass ich auf ihn herabschauen konnte. Ich zeigte sicherlich mit beiden Händen auf ihn und lächelte ein bisschen mit zusammengekniffenem Mund, um ihm noch nicht irgendeine Art von Genugtuung zu geben. Scile war derjenige an seinem Tisch, der am wenigsten aus sich herausgegangen war, und er fungierte als Schiedsrichter der Sticheleien auf beiden Seiten. »Ich weiß alles über sonderbare Sprachen«, behauptete ich ihm gegenüber. »Mehr als irgendjemand von euch Kerlen. Ich bin aus Botschaftsstadt .«
    Ich habe niemals einen Mann so verwundert und so entzückt gesehen wie ihn, als er mir glaubte. Er hörte nicht auf zu spielen, docher sah mich auf ganz andere Art und Weise an, erst recht, als er entdeckte, dass keiner meiner Gefährten ein Landsmann von mir war. Ich war der einzige Botschaftsstädter, und Scile liebte das.
    Es war nicht nur seine Aufmerksamkeit, die ich mochte: Ich freute mich darüber, wie dieser hart aussehende Mann mit der kompakten Statur die Klingen mit mir kreuzte und jeden auf raue Weise unterhielt, während er Fragen mit tatsächlichem Gehalt stellte. Nach einer Weile wankten wir fort und verbrachten eine Nacht und einen Tag mit dem Versuch, den gemeinsamen Sex zu genießen, zu schlafen, es erneut zu versuchen, und zwar diesmal mehrfach – mit gut gelauntem Mangel an Erfolg. Danach, während des Frühstücks, bedrängte er mich, schmeichelte mir und bettelte mich an; und ich, die Geringschätzung heuchelte und vorgab, eine angenehme Zeit zu haben, gab nach und ließ mich von ihm zur Konferenz mitnehmen – ich sei müde, aber noch nicht erschöpft genug, neckte ich ihn.
    Er stellte mich seinen Kollegen vor. Die KMAL widmete sich dem Studium aller außerirdischen Sprachen aus Terre-Perspektive, aber es waren jene, die im Allgemeinen als die fremdartigsten galten, die ihre Mitglieder am meisten faszinierten. Ich sah schludrige provisorische Trids, die für Versammlungen über interkulturelle chromatophore Nachrichtenübermittlung warben, über Berührungskommunikation unter den nicht sehenden Burdhan und über mich.
    »Ich arbeite in Homash. Kennen Sie es?«, fragte mich eine junge Frau ganz nebenbei. Sie war sehr glücklich, als ich mit nein antwortete. »Sie sprechen durch Hochwürgen. Gewölle, durchsetzt mit Enzymen in unterschiedlichen Kombinationen, sind Sätze, die ihre Gesprächspartner essen.«
    Ich bemerkte meinen eigenen Trid im Hintergrund. Gast aus Botschaftsstadt! Ein Leben unter den Ariekei.
    »Das ist falsch«, erklärte ich wenig später den Organisatoren der Konferenz. »Sie sind Gastgeber.«
    Doch sie entgegneten mir: »Nur für euch.«
    Sciles Kollegen waren erpicht darauf, mit mir zu reden: Sie alle hatten noch nie zuvor einen Bewohner von Botschaftsstadt getroffen. Und natürlich auch keine Gastgeber.
    »Sie stehen immer noch unter Quarantäne«, berichtete ich ihnen. »Doch sie haben sowieso nie ein Interesse gezeigt, ihre Welt zu verlassen. Wir wissen noch nicht einmal, ob sie in das Immer eintauchen könnten.«
    Ich war willens, eine Kuriosität zu sein, doch ich enttäuschte sie. Ich hatte Scile gewarnt, dass dies passieren würde. Die Diskussion wurde unklar und soziologisch, als sie begriffen, dass ich ihnen so gut wie nichts über Sprache erzählen konnte.
    »Ich verstehe kaum etwas«, gestand ich. »Mit Ausnahme des Botschaftspersonals und der Botschafter lernen wir bloß ein winziges bisschen.«
    Ein Teilnehmer zog einige Aufzeichnungen von sprechenden Gastgebern heran und ging durch ein paar Vokabeln. Ich freute mich, dass ich in der Lage war, einige der Definitionen zu verfeinern. Doch es gab, ungelogen, mindestens zwei Leute in dem Raum, die Sprache besser als ich verstanden.
    Stattdessen erzählte ich ihnen Geschichten über das Leben auf dem Außenposten. Sie wussten nichts vom Äoli, der Luftformung, die eine Kuppel aus atembarer Luft über Botschaftsstadt aufrechterhielt. Einige wenige hatten ein paar exportierte Bio-Fabrikate gesehen. Zudem konnte ich mit ihnen die veralteten Trids

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