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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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die vermutlich nur ein oder zwei Leitersprossen unterhalb desobersten Chefs stehen musste. »Sie müssen verstehen, dies ist … unüblich.«
    »Das höre ich ständig von jedem.«
    »Sie vermissen Ihre Heimat?«
    »Schwerlich«, antwortete ich. »Es geht um Dinge, die wir aus Liebe tun.« Ich seufzte theatralisch, doch sie wollte nicht mitspielen. »Es ist nicht so, als ob ich die Idee reizvoll fände, so weit vom Zentrum entfernt festzusitzen.«
    Sie begegnete meinem Blick, erwiderte darauf jedoch nichts. Stattdessen fragte sie mich, was ich in Botschaftsstadt auf Arieka zu tun vorhätte.
    Ich sagte ihr die Wahrheit – dass ich floaken wollte. Das belustigte sie auch nicht. Wem würde ich bei der Ankunft unterstellt sein? Niemandem, antwortete ich ihr: Ich war dort von niemandem die Untergebene, ich war eine Zivilperson. Sie erinnerte mich daran, dass Botschaftsstadt ein Hafen von Bremen war. Wo war ich gewesen, seitdem ich in das Außen gekommen war? Überall, hob sie hervor, und wer konnte sich daran erinnern? Ich musste meine Kartas und all meine alten Datendurchzüge durchgehen. Sie musste allerdings gewusst haben, dass in sehr vielen Orten solche Ankunftsformalitäten schludrig geführt wurden. Sie las meine Liste einschließlich der Endstationen und kurzen Fahrtunterbrechungen, an die ich mich überhaupt nicht erinnerte. Sie stellte mir Fragen über die Lokalpolitik von ein oder zwei Orten, worüber ich nur lächeln konnte; so schlecht vorbereitet war ich, dass ich ihr nicht recht antworten konnte. Und sie starrte mich an, während ich daherplapperte.
    Ich war mir nicht sicher, wessen sie mich verdächtigte. Letztendlich erforderte es für mich – für eine Immer-Eintaucherin mit Karta, die in Botschaftsstadt geboren worden war, vielen Schiffsmannschaften angehört hatte und die sich für ihren Verlobten verbürgte – nur Beharrlichkeit, um für ihn das Einreiserecht und für mich das Wiedereinreiserecht zu bekommen. Scile hatte sich auf seine Arbeit in Botschaftsstadt vorbereitet, hatte gelesen, Tonaufnahmen gehört und sich die wenigen Trids und Videos angeschaut, die es gibt. Er hatte sogar schon entschieden, wie der Titel seines Buches lauten würde.
    »Bloß eine Schicht«, sagte ich zu ihm. »Wir gehen nur bis zur nächsten Ablösung.«
    In Charo-Stadt, in einer dem Christus Uploaded geweihten Kathedrale – die er sich zu meiner Überraschung für die Vermählung ausbat –, heiratete ich Scile entsprechend dem Gesetz von Bremen. Es war eine Vermählung zweiten Grades, die als nichteheliche Liebesheirat eingetragen wurde. Und dann brachte ich meinen Mann nach Botschaftsstadt.

Erster Teil

ANKUNFT

Neuere Zeit, 1
    Die Halle der Diplomatie war überfüllt. Es war normal für jeden Ball, für jeden Empfang für die abreisenden Besucher, dass es geschäftig zuging, aber nicht so wie in dieser Nacht. Das war kaum überraschend: Es herrschte eine außergewöhnliche Erwartung. Egal wie oft das Botschaftspersonal uns allen gegenüber beharrlich behaupten mochte, dass dies eine völlig normale Ankunft war – sie versuchten nicht einmal, so zu klingen, als ob sie es selbst glaubten.
    Ich fühlte mich hin- und hergestoßen zwischen all den Abendgarderoben. Ich selbst trug Juwelen, und ich aktivierte ein paar Augmens, die eine Aureole aus hübschen Lichtern um mich herum aussandten. Ich lehnte mich gegen die Wand ins dichte Blätterwerk.
    »Ei, siehst du gut aus, nicht wahr?« Ehrsul hatte mich gefunden. »Kurzes Haar. Ungleichmäßig. Mag das. Hast du Kayliegh Auf Wiedersehen gesagt?«
    »Ich danke dir, und ich habe mich tatsächlich von ihr verabschiedet. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie die Papiere bekommen hat, um abzureisen.«
    »Nun ja.« Ehrsul nickte zu Kayliegh hinüber, die am Arm von Damier hing, einer Personalmitarbeiterin, die teilweise verantwortlich für die Kartas war. »Ich denke, sie könnte eine horizontale Bewerbung abgegeben haben.«
    Ich lachte.
    Ehrsul war ein Autom mit weiblichen Merkmalen. Ihre Außenhaut war diese Nacht mit Pfauenfedern aus Acryl geschmückt, und Trid-Juwelen umkreisten sie. »Ich bin so müde«, offenbarte sie und ließ ihr Gesicht knistern wie unter einer Bildstörung. »Ich warte nur darauf, unseren neuen Botschafter in Aktion zu sehen. Wie könnte ich nicht darauf warten? Doch dann bin ich fort.«
    Sie benutzte immer nur einen Körper, irgendeiner terrephilen Vorstellung von Höflichkeit oder Anpassung folgend. Ich glaube, sie wusste, dass es uns

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