Stadt der Fremden
sein.
Die niederen Ränge des Botschaftspersonals hatten keine Ahnung, was zu tun war, die höchsten Ränge waren wie gelähmt durch den Verlust von allem. Genauso ging es auch all den Botschaftern, die den Leuten erzählten, dass es die Fehler der Wesire waren, dass sie selbst diese Entwicklung der Dinge niemals zugelassen hätten, dass es stets das Personal gewesen war, das die wirkliche Macht in Händen gehalten und jeden im Stich gelassen hatte. Niemand schenkte mehr diesem Märchen Gehör.
Es waren jene gern übersehenen Leute, die schon seit Jahren dasselbe taten und die nun neue Wege gingen, die sich um Botschaftsstadt willen veränderten – und die Botschaftsstadt veränderten. Unser bürokratischer Feudalismus der Experten wurde zu einer erbarmungslosen Meritokratie. Sogar ein paar Botschafter bewährten sich. Selten die, von denen ich es angenommen hätte. Das ist wahr, aber eine banale Beobachtung.
Einer der ersten Erfolge der neuen Führung war die Niederwerfung von Wyatts Aufstand. Simmon spielte die entscheidende Rolle bei diesem kleinen Krieg. Er erzählte mir nachher davon, als er wieder gestärkt war. »Du hast gesehen, wie sich plötzlich Wyatts Leute alle in Bewegung gesetzt haben? Sie haben die Waffendepots geöffnet. Ich nehme an, was auch immer passierte, wurde von irgendeinem verfluchten Bremen-Notfallplan ausgelöst. Darum ging es bei all dem Chaos vor ein paar Tagen.«
Über welchen Aufstand von Repräsentanten unserer Übermacht er auch immer sprach: Ich hatte es nicht bemerkt. Es gab Chaos genug.
»Wir bekamen Wind davon – egal wie –, und wir waren auf sie vorbereitet. Doch wir mussten Risiken eingehen.« Er skizzierte schematisch den Plan und die Handlungen mit seiner Hand in die Luft. »Wir hätten ihnen wahrscheinlich auch einfach nur zuvorkommen können, weißt du? Doch diese Bremen-Tech, die sie haben … Wir dachten, sie müsste verdammt nützlich sein. Daher warteten wir ab und gingen hinein, nachdem sie die Silos geöffnet hatten. Wir hatten ein paar Sicherheitsleute bei ihnen eingeschleust – es ist ja nicht so, als ob wir uns nicht schon früher darauf vorbereitet hätten. Wir überwältigten sie mit nur wenigen Verlusten, und wir bekamen die Waffen. Obgleich, ehrlich gesagt, sie nicht so nützlich sind, wie wir gehofft haben. Dennoch … Sie leisteten nicht viel Gegenwehr. Nur Wyatt war das Problem. Wir haben ihn weggesteckt. Vom Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten. Da draußen gibt es bestimmt immer noch Agenten von Bremen, und wir müssen sicherstellen, dass er ihnen keine Codes oder Anweisungen oder was auch immer zustellen kann.«
Ich sagte ihm nicht, dass dieses Drama vollständig an mir vorbeigegangen war. Aber auch, wenn ich es nicht bemerkt hatte, so brachte es mich doch in Schwung, als ich davon hörte.
Ra, der schüchternen Hälfte unseres apokalyptischen Botschafters, wurde seine Einsamkeit zugestanden und seine kleinen Projekte, um was auch immer es sich dabei handelte. Ez wurde sein berüchtigter Zusammenbruch gestattet. Doch sie befolgten Befehle, und sie wurden bewacht. Sie hatten Pflichten. Sie waren, was uns am Leben erhielt.
»Eine Stadt von Gastgebern, die eine Gehirnwäsche bekommen haben«, sagten EdGar zur mir. »Stärker als wir. Bewaffnet. Wir müssen sie gastfreundlich halten.«
Unter den Gastgebern bemerkte man weder Ansichten noch Strategien in diesen ersten Tagen. Ich, die sich so daran gewöhnt hatte, all ihre Fremdartigkeit mit besonderer Fürsprache zu erläutern – es ist irgendeine ariekenische Sache, wir würden es nicht verstehen –, gelangte fassungslos zu der Überzeugung, dass sie nicht irgendwelchen Plänen folgten, die dem menschlichen Denken einfach fremd waren, sondern dem geistlosen Verlangen von Suchtkranken. Zuerst hatten sich permanent Massen von Ariekei außerhalb der Botschaft versammelt. Wenn sie aufgeregt und ihre Forderungen besonders hartnäckig waren, also alle paar Stunden, wurden EzRa geholt. Sie erschienen im Eingang und sagten etwas in makelloser Sprache, irgendetwas, das verstärkt wurde, damit alle die Worte hörten. Das führte zum offenkundigen Abbau der durch das Fehlen der Droge erzeugten Spannung in der Menge.
Das zweite Mal, als EzRa zu ihnen sagte: Wir sind glücklich, Sie zu sehen, und freuen uns auf das gemeinsame Lernen , reagierten die Redies nicht mehr mit jenem Ausmaß an Glückseligkeit, das sie vorher gezeigt hatten. Beim dritten Mal waren sie unzufrieden, bis EzRa ein paar neue
Weitere Kostenlose Bücher