Stadt der Masken strava1
Speisen zu sich nahmen. Aber wie immer hielt das die gewöhnlichen Bellezzaner nicht davon ab, ihr eigenes Fest auf der Piazza zu genießen. Es war der Höhepunkt der letzten drei Tage.
Heute hatten sie alle vor, die Nacht zu der Musik der vielen Spieler, die die Laubengänge um die Piazza bevölkerten, zu durchtanzen. Alle waren an diesem Abend bunt maskiert – Männer und Frauen, Jung und Alt, verheiratet oder ungebunden. Aber zwischen der farbigen Seide und dem Taft und dem Brokat, den glitzernden Pailletten und bunten Bändern schritt auch eine schwarz gekleidete Gestalt in der Schnabelmaske des Pestdoktors umher.
Der Schwarze eilte auf den herzoglichen Palast zu, denn er war ein verspäteter Gast für den Ball der Duchessa. Er blieb stehen, um den jungen Mann zu bewundern, der sich unter dem Jubel der Menge an einem Seil den Campanile herunterließ. Dann beschleunigte er seinen Schritt, während er an dem Scheiterhaufen zwischen den beiden Säulen vorbeikam. Er wusste ja inzwischen, dass die Puppe, die da verbrannt werden würde, aus Stroh war, aber er konnte dennoch nicht hinsehen. Jetzt war er am Palazzo, der in seiner ursprünglichen Pracht, wenn auch ohne den Glassalon, wiederhergestellt worden war, und er wurde die silberne Treppe hinaufgeleitet. Er betrat den großen Saal, hielt Ausschau nach seinen Freunden und ließ den Blick über die dicht gedrängte Menge der Tanzenden schweifen. Als Erstes erkannte er eine Frau, die ihn bereits entdeckt hatte.
»Wo warst du denn?«, fragte die in violetten Brokat Gekleidete. Ihre Silbermaske war mit schwarzen Federn geschmückt. Furchtlos war sie auf den unheimlichen Doktor zugekommen.
»Verzeih, meine Liebe«, sagte der Pestdoktor. »Ich musste mein Experiment zu Ende bringen. Doch nun bin ich hier und bereit mich zu vergnügen.« Er nahm einen Weinkelch von einem vorbeikommenden Diener entgegen. »Wo sind unsere Freunde?«
Die violette Dame führte ihn zum anderen Ende des Saales, wo zwei große Männer in dunkelblauem Samt und schwarzen Masken einen gespielten Ringkampf vorführten. Ein noch größerer jüngerer Mann mit rotem Schopf in einem Harlekinskostüm und weiß geschminktem Gesicht feuerte sie an.
»Fiorentino gewinnt!«, rief der Harlekin aus, als der etwas leichter gebaute der beiden Männer den anderen am Boden festhielt.
»Ich verlange eine Revanche«, sagte der kräftigere Mann, der unter seinem Bruder lag, und lachte.
»Siehst du, sogar wenn sie verkleidet sind, können sie nicht aus ihrer Haut«, bemerkte ein weißhaariger Herr in schwarzem Samt, der eine silberne Fuchsmaske trug, und legte dem Pestdoktor die Hand auf die Schulter.
»Sei gegrüßt, alter Freund!« Der Doktor erwiderte die freundliche Geste liebevoll.
»Wo sind die jungen Leute?«
»Dort drüben.« Der Weißhaarige nickte zur Tanzfläche, die ein hübsches junges Paar soeben betreten wollte. In dem Moment kam eine Dame in grüner Seide und einer mit grünen Pailletten besetzten Maske auf den weißhaarigen Herrn zu und forderte ihn mit der Kühnheit, die während des Karnevals allen bellezzanischen Damen zustand, zum Tanz auf. Zögernd willigte er ein.
»Vergnügen Sie sich denn gar nicht, Senator?«, fragte die Dame mit leiser Stimme und ihre veilchenblauen Augen blitzten hinter der Maske.
»Silvia!«, flüsterte er und hielt sie fester an sich gedrückt. »Hast du keine Angst, erkannt zu werden?«
»Beim Karneval?«, spottete sie. »Ich glaube, ich bin hier sicherer als jemals sonst.« Sie trug seinen silbernen Ring am dritten Finger ihrer rechten Hand. Und er trug ihren. Wenigstens das konnten sie sich erlauben.
Die neue Duchessa war in silbernen Taft gekleidet und ihre Maske war ein Phantasiegebilde aus silberner Spitze, die ihre Großmutter auf Burlesca gemacht hatte. Ihr Tanzpartner, ein schlanker junger Mann mit schwarzen Locken, der einen grauen Samtumhang und eine silberne Katzenmaske trug, benahm sich, als sei er ihr Schatten.
Zusammen flogen sie über den Tanzboden. Ein weiter Kreis bildete sich um sie, denn die Menschenmenge rückte ab, um der Duchessa Platz zu machen.
»Du hast ja Tanzunterricht genommen!«, sagte Arianna außer Atem, als sie schließlich stehen blieben.
»Stimmt«, erwiderte Luciano nach Luft ringend. »Bestimmt wärst du nie drauf gekommen, dass Doktor Dethridge zu seiner Zeit ein richtiger Teufelstänzer war.
Er wollte unbedingt, das ich ihm heute Abend Ehre mache.«
»Auf jeden Fall tanzt du besser, als du Mandola fährst«,
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