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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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sie hatte ihr wirklich wehgetan und dabei offensichtlich noch Lust empfunden, ihrem fast tierischen Hecheln und Stöhnen nach zu urteilen, das sie dabei ausgestoßen hatte. Mary hatte versucht sich zu wehren, aber das duldete Heather nicht. Das Veilchen, das jetzt Marys linkes Auge verunstaltete, war die unmittelbare Folge davon. Schließlich hatte Edna eingegriffen, die Übungsstunde kategorisch für beendet erklärt und Heather kurzerhand aus dem Zimmer befördert.
    Mary nahm die Kleidungsstücke mit fragender Miene entgegen. Es war ein Mieder, wie es die Frauen hier offenbar zu tragen pflegten. Steife Stangen steckten im Rückenteil und an den Seiten, überall waren Schnüre zum Festziehen angebracht und die Ränder mit Spitzen umsäumt. Um Himmels willen, wie sollte sie das Ding nur anziehen? Edna sah ihre Unsicherheit, seufzte enerviert, half ihr dann aber doch bereitwillig, sich in das unbequeme Kleidungsstück zu zwängen. Mary blieb fast die Luft weg, als mit einem geübten Ruck die Schnüre angezogen wurden. »Stell dich nicht so an«, schimpfte Edna, »daran gewöhnt man sich. Wichtig ist, dass oben alles prall aussieht. Das wollen die Männer.«
    Mary sah zweifelnd an sich hinunter. Ihr noch nicht ganz entwickelter Busen quoll förmlich über den weit ausgeschnittenen Rand des Folterwerkzeugs. »Hier, nimm! Strümpfe! Die musst du hier befestigen, siehst du?« Edna hob ihre eigenen Röcke und zeigte ihr die Art der Befestigung. »Und hier hast du noch ein paar Unterröcke. Ein Kleid kann ich dir nicht leihen. Das wirst du dir selbst verdienen müssen. Vielleicht hast du Glück und Mrs Friwell leiht dir etwas, damit du dich einkleiden kannst. Du fragst sie am besten selbst danach, wenn du dich traust.« Sie grinste und ihre unvollständige Zahnreihe wurde sichtbar. »Jetzt komm endlich. Die Alte wartet nicht gerne.«
    Mary beeilte sich mit dem Ankleiden, so gut sie konnte und lief dann zu Edna hinüber, die schon in demonstrativer Ungeduld an der Tür stand. »Schminken kannst du dich später«, sagte sie nach einem letzten prüfenden Blick, »schließlich wird sich dein feiner Mr Ashworth noch etwas Zeit lassen. Der kommt sonst eigentlich immer abends zu uns. Da bist du ja fein raus, du Hühnchen.« Der Neid, der in ihren Worten mitschwang, war unüberhörbar. Mary gab keine Antwort darauf. Die Angst vor der Begegnung mit Mrs Friwell schnürte ihr die Kehle zu.
    »Ah, da bist du also!« Die Alte nahm sie mit dem nun schon vertrauten taxierenden Blick in Empfang. »Hat sie sich geschickt angestellt, Edna? Berichte!«
    Edna zuckte gelangweilt mit den Schultern. »Na, wie man's nimmt. Bei Heather gab's allerdings Probleme.«
    »Probleme, so?« Mrs Friwell kam näher, packte mit ihren schraubstockartigen Fingern nach Marys Kinn, drehte ihr Gesicht ins Licht und blinzelte angestrengt. Sie trug ihre Brille nicht, vermutlich hatte sie das Veilchen zunächst gar nicht bemerkt. Plötzlich holte sie aus und verpasste Mary, die davon völlig überrascht wurde, eine schallende Ohrfeige, genau auf die Seite, auf der auch das Veilchen prangte. Wabernder Schmerz nahm Mary kurz die Sicht, ihre Ohren dröhnten.
    »Ich hatte es dir doch deutlich gesagt: Du hast zu tun, was man von dir verlangt und das ohne Widerrede. Hattest du das nicht verstanden? Dann wirst du es jetzt verstehen!« Ein zweiter, noch kräftigerer Schlag und aus Marys Nase spritzte helles Blut hervor. Einiges davon tropfte auf die Unterröcke. Hastig beugte Mary sich nach vorne und hielt die Hand vor die Nase. Das Blut fühlte sich ganz warm an in ihrer Hand. Nur nicht weinen jetzt!
    »Tuch!«, fauchte die Alte. Edna beeilte sich, Mary umgehend das Gewünschte zu reichen.
    Zitternd nahm es Mary aus deren Hand entgegen, während sich Mrs Friwell drohend vor ihr aufbaute. »Lass dir eines gesagt sein, Kleine: Hier ist der Kunde König und was immer er von dir verlangt, wirst du tun, auch wenn es dir noch so widerstrebt! Hast du das jetzt begriffen?«
    Mary starrte sie benommen an.
    »Ob du mich verstanden hast, will ich wissen!«
    »J... Ja!«
    »Gut! Ich habe Heather nicht umsonst ausgewählt. Sie hat ihre Vorlieben, ich weiß, aber bei manchen unserer Kunden wird Ähnliches, wenn nicht mehr, eingefordert. In diesem Hause gilt die Regel: Was immer hinter einer geschlossenen Tür geschieht, geht niemanden etwas an. Die feinen Herrschaften verlassen sich darauf. Sie zahlen dafür gut, das genügt mir. Solltest du allerdings meinen, dich zieren zu müssen,

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