Stadt der Schuld
schloss sich wieder, doch Aaron drückte kurzerhand dagegen, bis die Köchin schließlich nachgeben musste. »Ich muss sie aber sprechen. Es ist wirklich sehr dringend.«
»Sie macht gerade Besorgungen für den Herrn und hat später auch noch genügend zu tun.«
»Dann vielleicht am Abend? Sie wird doch auch irgendwann freihaben, oder nicht?«
»Vielleicht!«
Aaron war nicht willens aufzugeben. Marys Wohl hing davon ab. »Sagen Sie ihr bitte, dass ich sie sprechen muss. Ich warte nach der Schicht auf sie im hinteren Hof. Ich will sie nur etwas fragen, in Ordnung? Kein Grund zur Sorge. Es ist aber sehr wichtig. Bitte, vergessen Sie es nicht!«
»Ja, ich werde es ausrichten und nun verschwinde! Der Herr hat's nicht gern, wenn die Arbeiter hier rumlungern.«
Aaron gehorchte. Hoffentlich würde es ihm gelingen, die Magd am Abend selbst zu sprechen. Natürlich hätte er auch die Köchin fragen können, aber er musste es aus erster Hand erfahren. Sicher konnte ihm die Magd genauere Auskünfte über den Verbleib von Mary geben. Jeder Hinweis war wertvoll! Und wenn sie wirklich in einem Bordell gelandet war, dann, so schwor er sich, würde er Mary da herausholen!
Kapitel 27
Kapitel 27
Du kommst ganz bestimmt wieder?«, fragte Debby wohl schon zum vierten Mal. Nervös drehte sie mit dem Finger eine Strähne ihres Haares zu einem festen Knäuel.
Cathy ging zu dem Mädchen hinüber und nahm es fest in den Arm. »Ganz bestimmt!«, versprach sie. »Ich habe es dir doch erklärt. Ich muss einfach Arbeit finden, und für Ashworth will und kann ich auf keinen Fall mehr arbeiten.«
Debby nickte gehorsam, aber in ihren Augen spiegelte sich Zweifel. »Ich hab solche Angst, dass Aaron uns jetzt auch wegschickt. Er hat so ein böses Gesicht gemacht heute Morgen. Bestimmt ist es wegen Mary. Sag, Cathy, denkst du, er wirft uns hinaus?« Noch einmal drängte sich ein leises Echo des am Vortag erst versiegten Tränenstroms ihre Kehle hinauf.
»Nein, gewiss nicht, Debby. Du brauchst dich nicht zu sorgen deshalb. Ich kenne Aaron, er würde so etwas nie tun. Das kann er gar nicht. Es ist eben gerade alles sehr schwer für ihn.« Sie seufzte. »Also, du bleibst hier und hütest Klein-Mary. Sie ist jetzt satt und wird sicher einige Zeit schlafen. Ich bin in ein paar Stunden wieder zurück, versprochen.«
Rasch erhob sie sich und warf sich ihr Schultertuch um. Für weitere Diskussionen hatte sie keine Zeit mehr. Den Entschluss, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, hatte sie gefasst, als Aaron sich am Morgen immer noch so verschlossen gezeigt hatte. Sie kannte ihn doch: Es war nicht sie, die er treffen wollte. Nein, irgendetwas quälte ihn. Etwas, das er ihr nicht sagen wollte oder konnte. Die Probleme, die Marys Narrheiten ihnen bereiteten, waren schwerwiegend, aber gewiss nicht die eigentliche Ursache seiner Verbitterung. Die war eher in der Verbannung zu den Dampfkesseln zu suchen, die ihn über kurz oder lang zugrunde richten würde. Nein, sie konnte es einfach nicht zulassen, dass er sich weiterhin so für ihre kleine Gemeinschaft aufopferte. Nicht, nachdem er sich so eifrig gemüht hatte, das Lesen, Schreiben und Rechnen zu erlernen, nach den Hoffnungen auf ein besseres Auskommen, die sie sich doch nicht zu Unrecht gemacht hatten. Kein Wunder, dass ihn jetzt die Verzweiflung in diese Bitterkeit und die Arme der Chartisten trieb. Sie konnte es verstehen, und doch fraß die Sorge sie buchstäblich von innen heraus auf. Was, wenn er womöglich mit der Polizei in Konflikt kam? Recht wahrscheinlich, bei dem, was die Chartisten so trieben. Die wurden täglich radikaler. Das wäre dann wirklich eine Katastrophe!
Nein, sie konnte die Dinge nicht länger einfach hinnehmen. Sie musste handeln, bevor es zu spät war. Vielleicht fand sie ja auch für Aaron eine neue Stelle. Oh, Gott, sie betete darum!
Es musste einfach gelingen.
***
»Du hast dich jetzt oft genug gewaschen, Kleine. Es reicht!« Edna hielt ihrem Schützling ungehalten ein paar Kleidungsstücke hin. Zögernd ließ Mary das Wasser Wasser sein und wandte sich zu Edna um. Die Erinnerung an die letzten Stunden, die sie mit den drei Frauen in diesem Raum verbracht hatte, hätte sie am liebsten mit abgewaschen, aber so sehr sie auch geschrubbt hatte, es gelang ihr nicht. Zum Glück war wenigstens Heather inzwischen gegangen. Ekel schüttelte sie. Dieses Weib war widerlich! Unaussprechliche Dinge hatte sie von ihr verlangt und zu guter Letzt war sie richtig grob geworden. Ja,
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