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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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lag auf der Hand. Die Straßen waren voll von viel zu jungen und todkranken Dingern, die sich für einen Penny oder zwei anboten. Etwas verkrampfte sich in ihm. Das konnte er nicht zulassen. Kein Kind sollte so missbraucht werden nur für die vorübergehende Lust eines Mächtigeren. Und Mary war doch noch fast ein Kind, genauso, wie er es gewesen war, damals ...
    Rasch richtete er sich auf. »Komm, William, wir dürfen nicht zu spät kommen, das weißt du doch!«
    Als er den Heizraum betrat, war Liam schon am Ofen. Seine Schicht hatte früher begonnen. Die Hitze war unerträglich und dörrte die Kehle aus, kaum dass man in die Nähe der Ofen kam. Liam fluchte herzhaft, als Aaron sich rasch seiner Kleidung bis auf die Hose entledigte, die Lederschürze umband und die Schaufel ergriff.
    »Gott sei Dank, ich brauch dringend 'ne Pause, Mann!« Er hustete und drückte dann stöhnend sein mächtiges Kreuz durch. »Ich wünschte, der feine Pinkel da oben würde hier mal selbst Hand anlegen, dann würde er uns wenigstens mehr zahlen für diese verfluchte Schinderei.«
    »Das bestimmt nicht, glaub mir!«, meinte Aaron und grub die Schaufel in den Haufen Kohle zu seinen Füßen. Die Maschinen verschlangen täglich ungeheure Massen des schwarzen Goldes.
    »Hm, hast ja recht. Erstens macht so einer sich nicht die Finger schmutzig und zweitens nimmt der sich eher noch mehr, als dass er was abgibt.«
    »Wohl wahr!«
    »Das wird eure Mary schon noch früh genug merken.«
    Aaron richtete sich auf. »Was sagst du?«
    Liam lachte ein wenig betreten. »Na, das weißt du doch bestimmt, oder etwa nicht?«
    »Was soll ich wissen?«
    »Na ja, dass Ashworth eure Mary mitgenommen hat. Mar kann sich ja denken, was der alte Bock mit dem Mädchen vorhat.«
    Aaron baute sich drohend vor dem weitaus kräftigeren Mann auf. »Was willst du damit sagen, Liam?«
    »Mann, jetzt reg dich bloß nicht auf. Ich mein, immerhin is' sie ja nich' dein Kind. Also, was soll's? Kann dir doch letztlich egal sein, ob er sie in dieses Hurenhaus gebracht hat. Ich weiß sowieso nichts Genaues. Wahrscheinlich eh nur das übliche Geschwätz.«
    Aaron griff erregt nach Liams Arm. »Was? Was weißt du davon?«
    Liam schüttelte ihn unwillig ab. »Ich sag doch bloß, was ich gehört hab. Eliza aus dem Carding Room hat's gestern bei uns im Viertel romerzählt. Gut – ich geb's ja zu, sie ist eine gehässige Schwatzbase. Aber sie behauptet steif und fest, sie hätt's von der Köchin und die hat's von der Magd und die hat's wohl selbst mitbekommen.« Er kratzte sich am Kopf und legte nachdenklich die Stirn in Falten. So viel redete er selten am Stück. »Und O'Cinneide hat bestätigt, dass er gestern Abend beobachtet hat, wie Ashworth mit der Kleinen im Schlepptau eine Kutsche bestiegen hat. Schien nich' wirklich glücklich, die Kleine, meinte er.«
    Aaron musste erst einmal verdauen, was er da eben gehört hatte. Er lehnte sich mit verschränkten Armen an den verrußten Stützpfeiler neben ihm. Ashworth hatte offenbar wirklich nicht lange gefackelt, dieser miese Hund. Doch dann wurde ihm klar, dass das vermutlich die einfachste Lösung für Ashworth darstellte. Wenn er Mary in eins dieser Häuser abschob, war das Mädchen – wenigstens, was sein eifersüchtiges Weib betraf— aus dem Weg und darüber hinaus konnte er sich weiter an ihr vergreifen, wann immer ihm der Sinn danach stand. Doch leider nicht nur er ... Gut, dass Marys Vater das nicht mehr mitbekam. William McGillan wäre entsetzt gewesen.
    »Ja, ich geh dann mal«, meinte Liam kleinlaut und trollte sich. Aaron nickte abwesend, doch dann kam Leben in ihn. »Liam, warte!«
    »Was?«
    »Die Magd, das ist doch Bertha, oder?«
    »Hm, ja.«
    »Ich muss dringend mit ihr sprechen.«
    »Hm«, der Hüne zögerte, »ich brauch aber 'ne Pause.«
    »Ja, ja ... nachher, wenn du wieder runterkommst, abgemacht? Wenn der Vorarbeiter nach mir fragt, sagst du einfach, mir sei schlecht geworden, in Ordnung?«
    Liam brummte Unverständliches, doch dann nickte er. Er war ein gutmütiger Kerl und Aaron wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte.
    Kurze Zeit später klopfte Aaron leise an die Hintertür von Ashworths Wohnhaus auf dem Fabrikgelände. Die Köchin selbst öffnete ihm.
    »Ich will mit Bertha sprechen.«
    Die Köchin musterte den rußverschmierten Besucher, der da halbnackt vor ihr stand, mit unverhohlenem Misstrauen. »Was sollte wohl so ein schmutziger Kerl wie du von Bertha wollen? Sie ist nicht da!« Die Tür

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