Stadt der Schuld
die Luft an. Das Clerkenwell war mit Abstand das verrufenste Gefängnis in ganz London. Dessen düstere Zellen stammten teils noch aus dem Mittelalter und die bedauernswerten Häftlinge darin hatten weiß Gott nichts zu lachen. In den lichtlosen, feuchten Verliesen holten sich die Gefangenen Krankheiten, die oft schwerer waren als es die vom Gericht verhängten Strafen sein konnten. Schon oft hatte man im Parlament die Missstände debattiert, aber angesichts der seit Jahren unverändert hohen Verbrechensrate in der Stadt war man auf alle verfügbaren Gefängnisse bitter angewiesen. »Musste das sein? Rupert Baker stammt aus einer wirklich angesehenen Familie.«
Der Inspector kräuselte süffisant die Lippen. »Das mag wohl sein, Sir, aber angesichts des Vergehens, das Ihrem Bekannten vorgeworfen wird, hatte man – es tut mir leid, das sagen zu müssen – im Tothill kein allzu großes Interesse daran, sich mit dem Mann zu befassen. Es bestand dort zudem die Befürchtung, dass es zu Übergriffen durch die anderen Gefangenen kommt. Das Clerkenwell hat wenigstens kleinere Zellen für die Untersuchungshäftlinge. Das erlaubt eine bessere Überwachung.«
Horace schnaubte, aber er sagte nichts mehr dazu. Immerhin war es ein offenes Geheimnis, dass die unterbezahlten Wärter des Clerkenwell im Gegensatz zu denen von Tothill Fields Bestechungsversuchen nicht gerade ablehnend gegenüberstanden. Dann musste er eben auf diesem Wege versuchen, etwas für Merediths Ehemann zu erreichen. »Gut, wenn Sie mich dann jetzt entschuldigen wollen, Inspector. Ich gehe davon aus, dass die Sicherheit des Hauses Baker von jetzt ab gewährleistet ist.«
»Selbstverständlich, Sir. Dürfte ich Sie noch um Ihre Adresse bitten, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich noch weitere Fragen ergeben.«
Horace nickte und gab sie dem Mann. Dann verließ er die Wache. Wenigstens hatte er etwas zu Merediths Schutz beitragen können. Es würde sich in den nächsten Tagen hoffentlich zeigen, was er für Rupert tun konnte. Vermutlich sträflich wenig und da würde selbst Green nicht helfen können, das ahnte er schon jetzt. Wer nur hatte ihn angezeigt? Er hätte viel darum gegeben, das in Erfahrung bringen zu können.
Inspector Sears sah der eindrucksvollen, hochgewachsenen Gestalt des Parlamentsabgeordneten nach, der mit sorgenvoller Miene die Wache verließ. Dann winkte er den Constable heran, der wieder Zuflucht hinter seinem Schreibtisch gesucht hatte.»Hören Sie, ich wünsche, dass eine Nachricht an unsere Kollegen von der D 45 weitergegeben wird. Das Engagement dieses Menschen scheint mir doch recht auffällig zu sein. Man soll ihn aufmerksam im Auge behalten. Vermutlich weiß er mehr über den kriminellen Umgang dieses Baker, als er zugeben möchte. Was mich dabei am meisten wundert ...«, er schwieg für einen Moment nachdenklich, »es war sein eigenes Eheweib, das Baker angezeigt hat.«
Kapitel 36
Portsmouth, in den frühen Morgenstunden des 11. Dezember 1840
Kapitel 36
Chadwick Eastman wälzte sich zur Seite. Schweiß benetzte seine Stirn. Die ganze Nacht hindurch hatte er kein Auge zugemacht. Sagar Trumble machte sich die Sache wirklich entschieden zu leicht. Regelrecht ausgelacht hatte er ihn, als er ihn noch am Nachmittag des vergangenen Tages aufgesucht hatte, um aufgeregt vom Besuch dieses mysteriösen Mr Weston zu berichten. Was, so hatte der Inder spöttisch gefragt, sollte man ihnen denn nachweisen können? Er solle sich gefälligst zusammennehmen. Sei er doch nichts weiter als ein Hasenfuß und seine Befürchtungen lachhaft.
Und wenn schon! Er hatte wirklich keine Lust, womöglich in eine Mordanklage verwickelt zu werden. Sein Blick wanderte über die üppigen Rundungen Nginas, die wie immer splitternackt neben ihm schlief. Ihre tiefdunkle Haut schimmerte verlockend im einfallenden Mondlicht. Er streckte die Hand aus und berührte sacht die atemberaubende Kurve ihrer Hüfte. Sie murmelte schläfrig etwas in der eigenartigen Sprache ihrer Heimat und veränderte ihre Position ein wenig, was ihre wunderbar großen, runden Brüste noch besser zur Geltung brachte. Chadwick schluckte und spürte, wie sein Glied sich regte. Sie war der Grund gewesen, sie hatte er unbedingt besitzen müssen, seit er sie das erste Mal in Trumbles Etablissement gesehen hatte. Ngina – Königin, so sei ihr Name, hatte ihm Trumble, dieser Fuchs, damals zugeraunt, dabei genau spürend, dass ihn nichts mehr lockte als schwarzes, üppiges Fleisch. Und
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