Stadt der Schuld
krallten sich wütend in die Krempe des Bowlers in seinen Händen. Endlich hatte er den richtigen Mann ausfindig gemacht und nun ging der ihm kurz vor dem Ziel durch die Lappen! Die verdächtig plötzliche Abreise des Finanzmaklers zeigte ihm nur zu deutlich, dass er auf der richtigen Fährte gewesen war, doch nun war alles verloren. Wie sollte er den Mann jetzt finden? Eastman würde gewiss alles daran setzen, nicht aufgespürt zu werden.
»Sie wissen wirklich nicht, wohin er gereist ist?«
»Nein, Sir, ich bedaure. Auch für uns kam das recht überraschend und er hat das Ziel der Reise nicht genannt.«
Warum grinste dieser Schreiber nur ununterbrochen so selbstzufrieden? Armindale kam der Mann reichlich verändert vor. Bertram Fenwick, gänzlich unberührt vom deutlichen Missfallen des Besuchers, fügte lächelnd hinzu: »Tatsächlich wird die Abwesenheit von Mr Eastman vermutlich von längerer Dauer sein. Es tut mir wirklich leid, Mr Weston. Was die Anlage Ihrer Geldmittel betrifft, bin aber nunmehr ich befugt, Sie zu beraten. Wenn Sie hereinkommen wollen ...?«
Armindale knirschte mit den Zähnen. Deshalb also das zufriedene Feixen im Gesicht des Alten. Fenwick war im Zuge der überstürzten Abreise seines Arbeitgebers mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet worden. »Nein, das wird nicht nötig sein«, gab er bissig zurück. »Angesichts der Abreise von Mr Eastman werde ich von einer Beratung absehen.«
Fenwick zeigte nicht einmal den Anschein des Bedauerns und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Wie stand er jetzt da? Er würde mit leeren Händen nach London zurückkehren müssen, es sei denn ... Brüsk drehte Armindale sich um und ging die Straße hinunter. Er musste nachdenken. Zwei Ecken weiter kehrte er in das Pub ein, in dem er am Vortag schon ein Ale getrunken hatte und bestellte sich mürrisch einen Krug, zusammen mit Papier und Schreibzeug. Der Wirt musterte ihn indigniert, ließ ihm dann aber das Gewünschte zukommen.
Ein Brief an Isobel Havisham war jetzt unbedingt notwendig. Sie musste umgehend über den Fehlschlag – er bezeichnete diesen vielleicht doch lieber als unvorhergesehene Schwierigkeiten – informiert werden, sonst bestand die Gefahr, dass das Weibsbild noch auf dumme Gedanken kam und selbst tätig würde. Armindale kaute unentschlossen am Nagel seines kleinen Fingers. Wenn er selbst nur wüsste, was nun das Beste wäre. Havisham trotz der vagen Beweislage anzeigen oder versuchen, doch noch mehr herauszufinden, auch wenn das schier unmöglich schien?
Schließlich senkte er den Kopf und begann zu schreiben. Es wurde ein längerer Bericht, von dem er hoffte, dass er die richtige Wirkung auf Isobel Havisham haben würde. Er adressierte das Schreiben nach Whitefell, wo sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgrund der Beerdigung ihres Vaters aufhielt, und ausdrücklich an sie persönlich. Er hatte keinen Zweifel daran, dass die Dame des Hauses – weit davon entfernt, sich von ihrem Mann bevormunden zu lassen – die Post selbst entgegennehmen würde.
Dann steckte er den Brief in seine Brusttasche und verlangte nach einem zweiten Ale. Er würde das Schreiben nachher aufgeben. Wenn er Glück hatte, würde es Whitefell noch am Abend erreichen. »Wo finde ich hier das Postamt?«, fragte er den Wirt, als dieser ihm den zweiten Krug an den Tisch brachte.
»Es gibt eines in der Innenstadt und eines in der Nähe der Kutschenstation am Hafen, Sir, gleich neben der Hafenmeisterei.«
Plötzlich kam Armindale ein Gedanke. »Sagen Sie, guter Mann, ist Ihnen der Finanzmakler Eastman ein Begriff? Er hat sein Kontor nicht weit von hier.«
Ein anzügliches Grinsen huschte über das Gesicht des Wirts, bevor er bedächtig nickte. »Sicher, den kennt man hier.«
»Ist er hier hin und wieder zu Gast?«
Der Wirt stierte ihn mit glasigem Blick an, sagte aber nichts, sondern blieb wie festgewurzelt am Tisch stehen. Armindale seufzte, griff in seine Börse und zog drei glänzende Halfpennystücke hervor, die mit beachtlicher Geschwindigkeit in der Schürzentasche des Wirts verschwanden. Wie durch Zauberhand kam nun wieder Leben in sein feistes Gesicht. »Früher hat Mr Eastman hier hin und wieder seine Abende mit ein paar Bier verbracht, aber seitdem diese schwarze Hexe bei ihm wohnt, nicht mehr.«
Armindale horchte auf. »Was meinen Sie?«
»Na, das Negerweib, das er sich unter sein Dach geholt hat, der Schwerenöter. Hätt' ich ihm gar nicht
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