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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Gefährt in gemessener Entfernung auf ihn zu warten. Plötzlich kam wieder Leben in ihn. Es galt jetzt, Meredith Hilfe zu verschaffen. Das war das Einzige, was er im Moment tun konnte. Er bemühte sich, den Schock des Geschehens zu verdauen. Meredith misstraute ihm, hielt ihn für den Verursacher dieses Dramas. Der Schmerz darüber krallte sich erneut in seine Brust und riss erbarmungslos blutige Stücke heraus, aber das durfte ihn nicht hindern, alles zu unternehmen, was in seiner Macht stand, um die schrecklichen Folgen für alle Beteiligten zu mildern. Er musste die zuständige Polizeistation der Gegend aufsuchen und Personenschutz für Meredith anfordern. Ha, diese nichtsnutzigen Kerle sollten einmal wagen, ihm das zu verweigern. Er würde nicht nachgeben, so lange, bis eine ganze Division das Haus umstellen würde. Rasch gab er dem Kutscher den Befehl und das Gefährt ruckte an.
    Wieder setzte Schneefall ein und dämpfte das Rasseln der eisenbeschlagenen Räder auf dem abgewetzten Londoner Pflaster. Horace trommelte rastlos mit den Fingern auf die stoffbezogene Fenstereinfassung. Am besten, er suchte morgen sicherheitshalber auch Green in dieser Angelegenheit auf heute war es wohl zu spät. Der hatte seit Langem gute Verbindungen zum Innenministerium, dem Scotland Yard unterstellt war. Wahrscheinlich würde er nur auf diesem Wege etwas erreichen. Ein Fünkchen Hoffnung glomm in ihm auf. Vielleicht schaffte Green es ja sogar, dass man die Anklage gegen Rupert Baker fallen ließ. Horace verschloss sich gegen den schal schmeckenden Gedanken, dass das unwahrscheinlicher war als der Zusammenbruch des Empires. Der Earl of Branford hatte nur zu recht: Für einen überführten Sodomisten würde gewiss kein Mensch auch nur das geringste Mitgefühl, geschweige denn ein wie auch immer geartetes Engagement aufbringen.
    Da hielt die Kutsche und Horace riss ungeduldig den Wagenschlag auf, bevor der Kutscher von seinem Bock heruntergestiegen war. »Lassen Sie nur!«, rief ihm Horace zu, während er bereits auf den Eingang der Polizeistation zueilte. »Warten Sie direkt hier, ich werde nicht allzu lange brauchen. Und lassen Sie sich bloß nicht wegschicken, verstanden?« Der Mann ließ sich mit erstaunter Miene wieder auf den Kutschbock zurücksinken. Horace achtete nicht weiter darauf. Ohne zu zögern stürmte er in das schmucklose Gebäude der Polizeistation Holborn. »Ich möchte den diensthabenden Verantwortlichen sprechen«, verkündete er zornig, kaum dass er den Wachraum betreten hatte.
    Der Constable hinter dem mit einer Holzbalustrade versehenen Tresen gähnte und musterte ihn schläfrig. »Das bin ich, Sir. Wollen Sie eine Anzeige machen?«
    Horace trat rasch auf den Beamten zu, der sich offenbar auf eine eher ruhige Nacht eingestellt hatte. Seine halb aufgeknöpfte blaue Jacke mit den großen Messingknöpfen und die ausgezogenen Stiefel zeugten davon. »Nehmen Sie Haltung an, Mann!«, fuhr er ihn an. »Wo ist Ihr Sergeant, oder besser noch: Ihr Inspector? Ich wünsche, einen der beiden sofort zu sprechen.«
    Erwartungsgemäß fuhr der Mann aus seinem Schreibtischstuhl hoch und knöpfte sich erschrocken die Jacke zu. Der strenge Ton, den Horace an den Tag legte, war wohlkalkuliert. Wenn er Polizeischutz für Meredith erwirken wollte, dann musste er mit so viel fordernder Autorität wie nur möglich auftreten.
    »Sir, ich bin während der Nachtbereitschaft gehalten, die Anliegen der Leute als Erster aufzunehmen und dann zu entscheiden, ob der Sergeant alarmiert werden soll«, teilte ihm der Constable mit leichter Verunsicherung mit. Er würde ihm sicher nicht allzu viel Widerstand entgegenbringen. Horace baute sich dicht vor der Balustrade auf und ließ bewusst seine eindrucksvolle Gestalt noch ein wenig höher wachsen. »Diese Entscheidung kann ich Ihnen auch abnehmen, Constable. Ihr Sergeant, aber ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf«, bellte er.
    Es dauerte nicht lange, da eilte der diensthabende Sergeant mit gerötetem Gesicht aus den Bereitschaftsräumen im oberen Stockwerk der Wache herbei, gefolgt von seinem aufgeregten Constable. Horace nahm den Gruß des Mannes mit finsterer Miene entgegen. »Ich bin Mr Horace Havisham, Abgeordneter des Parlaments«, teilte er ihm ohne Umschweife mit und bemerkte befriedigt, dass diese Auskunft die entsprechende Wirkung bei dem diensthöheren Beamten hatte. Der Mann fuhr sichtlich zusammen. »Mit Befremden musste ich soeben feststellen, dass es in Ihrem Bezirk zu

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