Stadt der Schuld
weiß Gott, eine wahre Königin der Lüste war sie für ihn. Er war geradezu verrückt, süchtig nach ihrem Körper, ihrer unbefangenen, natürlichen Sinnlichkeit, mit der sie ihn Tag und Nacht aufs Neue betörte. Dabei war sie obendrein klug und verständig und vermochte wie keine andere, ihm die Lasten des Alltags zu vertreiben. »Ngina«, seufzte er und ließ seine Hand fordernd zwischen ihre Schenkel gleiten, wühlte sich ungeduldig durch den vertrauten, lockig-schwarzen Flaum ihres Schoßes, der sich ihm bereitwillig öffnete und die feuchtglänzenden Gründe offenbarte. Er ließ seine Finger dort ein wenig kreisen. Seine Lust wuchs rasch. Vertraut war ihr Duft, ihr zufriedenes, kehliges Schnurren. Noch hatte sie die Augen geschlossen, halb im Traum gefangen, halb erwacht. Da kam er jäh über sie und drang in sie ein. Wie sehr liebte er es, sie im Halbschlaf, im Dunkel der Nacht zu nehmen. Sie war so weich, weit wie das Meer, eine schwarze Muttergottheit, emporgestiegen aus den verlorenen Träumen der Menschheit. Er griff nach ihren üppigen Brüsten und vergrub sein Gesicht zwischen ihnen, kostete vom Salz der samtenen Schwärze, labte sich an den festen, aufragenden Spitzen. Ihre ausladenden Hüften setzten sich unter ihm in Bewegung und er ritt beglückt auf den aufpeitschenden Wogen. Warme, fleischige Schenkel umschlossen ihn, pressten sich an seine Lenden, hielten ihn fest, verschlangen ihn. Er drängte nach vorn, erschloss die Tiefe unter sich wieder und wieder. Seine Manneskraft reckte sich zum finalen Stoß, helle Lichter flackerten vor seinen Augen und er schrie laut auf, als er sich ergoss. Dann zogen Nginas Arme ihn an ihren Körper. »Wovor fürchtest du dich, Chaddy?«, fragte sie mit ihrer tiefen, samtigen Stimme. Er spürte die wohltuende Entspannung, die sich regelmäßig nach dem Akt bei ihm einstellte. Noch ein wenig verweilen, an nichts denken, schlafen ...
Doch dann kam die Angst zurück. Sein Körper verkrampfte sich. Dieser Weston würde es herausfinden, das wusste er genau. Es ließ sich ja nicht leugnen, dass er Horace Havisham regelrecht verkauft hatte. Das Verlangen nach Ngina, danach, sie ganz für sich allein zu besitzen, war es gewesen. Nur das hatte ihn dazu gebracht, sich auf den fatalen Handel mit Trumble einzulassen. Der hatte ihm, nachdem Chadwick ihn wieder und wieder angefleht hatte, ihm die Frau zu überlassen, vorgeschlagen, dass er sie sich verdienen könne. Doch der Preis war hoch gewesen, zu hoch. Er hatte Geschäftsfreunde und Kunden in Sagar Trumbles Lasterhöhle gelockt und diesem deren kleine Geheimnisse verraten. Der Inder hatte es irgendwie verstanden, daraus seinen Nutzen zu ziehen. Chadwick hatte es nicht wissen wollen. Das alles war gleichgültig gewesen, solange er Ngina besitzen konnte. All die Nächte der Ekstase, des Rausches ... Sein angetrautes, entsetzlich langweiliges Weib, Mutter seiner Kinder, hatte ihn verlassen deshalb. Doch das hatte ihn damals nicht interessiert und interessierte ihn heute noch viel weniger. Er war wahnsinnig gewesen, verrückt, außer sich vor Lust und Eifersucht. Und so hatte er schließlich, geradezu in einem Akt der Verzweiflung, den dicksten Fisch, nämlich Horace Havisham aus Wiltshire, einen Mann, den er einmal Freund genannt hatte, an Trumble ausgeliefert, damit der Inder sie ihm endlich überließ, damit er Ngina mit sich nehmen konnte, damit kein anderer sie je wieder berührte mit gierigen, lüsternen Fingern. Sie war sein, nur sein!
In den Wochen und Monaten danach war es ihm weniger schwergefallen, die Tat, derer er sich schuldig gemacht hatte, zu verdrängen. Unter Drogen gesetzt, war Havisham von Trumble dazu gedrängt worden, den Mord an Daniel de Burgh in Auftrag zu geben – für eine sehr hohe Summe, selbstredend. Denn natürlich hatte er, Chadwick, um Havishams Begehrlichkeiten bezüglich dieses Landsitzes gewusst, um seinen Plan, die Tochter des Gutsbesitzers zu ehelichen. Aber dann war er doch bis ins Mark erschrocken, als er einige Zeit später aus den Zeitungen vom Tod des Erben erfuhr und von Havishams kometenhaftem Aufstieg. Havisham hatte zu diesem Zeitpunkt verständlicherweise bereits alle Geschäftsbeziehungen und jeden Kontakt zu ihm abgebrochen. Einige Zeit hatte sich Chadwick vor weiteren Konsequenzen gefürchtet und nicht einmal mehr in Nginas Armen Vergessen finden können, doch dann hatte er verstanden: Havisham musste genauso dringend daran gelegen sein, dass nichts über die Vorgänge bekannt
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