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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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machen. Aber das ging nicht. Wenn ich etwas gelernt habe, dann das: Wir können nur nach vorne gehen, nicht zurück.« Sie schluckte schwer. Mary sah deutlich, dass sie zitterte. »Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Ich werde Aaron irgendwie da herausholen, ich schwöre es. Und dann, dann werden wir fortgehen von hier, sodass auch du dich nicht mehr ängstigen und verstecken musst. Mach dir keine Gedanken, es wird schon alles gut werden.«
    Mary nickte stumm, unfähig, ein Wort herauszubringen, doch dann stand sie auf und umarmte Cathy schnell, auch wenn sie ahnte, dass deren tröstliche Worte nichts als eine trügerische Hoffnung waren. »Ich wünsch dir viel Glück, Cathy. Hoffentlich hat Mrs Ashworth ein Einsehen.«
    »Ja, hoffentlich«, seufzte Cathy. Dann strich sie Mary kurz über die Wange und ging schnellen Schrittes zwischen den Tüchern hindurch auf den Ausgang zu. Sie hatte noch einen langen Fußmarsch vor sich.
    Das Anwesen der Ashworths, Moston Park, lag etwa zwölf Meilen nordöstlich außerhalb der Stadtgrenzen Manchesters. Eine gut befahrene Straße führte in diese Richtung und so war wenigstens der Weg nicht allzu mühselig, wenn auch matschig und aufgeweicht von den ständig vorbeirollenden Kutschen, vor denen sich Cathy manchmal mit einem kühnen Sprung zur Seite retten musste. Trotzdem war sie ziemlich erschöpft, als sie das große Haus mit den vielen Nebengebäuden endlich zwischen den Bäumen ausmachen konnte. Cathy hielt einen Augenblick inne und ließ ihren Blick über den beeindruckenden Besitz der Ashworths schweifen. Wo Moston Park lag, wussten fast alle Arbeiter der Spinnerei. Ebenso wie man beobachtet und hinter vorgehaltener Hand gelästert hatte, dass Mr Ashworth trotzdem die laute und schmutzige Umgebung seiner Fabrik als ständigen Wohnsitz vorzog.Mrs Ashworth, so wurde deshalb vermutet, müsse wohl eines jener Geschöpfe sein, von denen schon der weise Salomo behauptete, sie seien schlimmer als ein ständig triefendes Dach für den geplagten Herrn des Hauses. 48
    Zögernd durchschritt Cathy das Torhaus der mannshohen Ziegelmauer, die das gesamte Anwesen umgab. Ihre Arme schmerzten vom schwer gewordenen Gewicht des Kindes und aus ihren Füßen waren vor Kälte längst gefühllose Klumpen geworden. Doch sie raffte sich auf und ging rasch auf das Hauptportal zu. Sie musste jetzt einfach all ihren Mut und ihre Überzeugungskraft zusammennehmen. Entschlossen stieg sie die breite Treppe zum Eingang empor und klopfte an. Es dauerte nicht lange und die Tür öffnete sich.
    »Sie wünschen ...?« Die Stimme des Butlers stockte beim Anblick der Bittstellerin abrupt und wechselte dann von einem Augenblick auf den anderen in ungehaltenes Schimpfen. »Was glaubst du, wer du bist, Weib?«, fuhr er Cathy an. »Bist du verrückt, hier einfach anzuklopfen? Gebettelt wird hier nicht, scher dich gefälligst fort!« Ärgerlich drückte er die Tür wieder zu, doch Cathy stellte schnell ihren Fuß in den Spalt. Ein stechender Schmerz fuhr ihr das Bein hinauf, als die Türkante heftig dagegen prallte, doch sie achtete nicht darauf. »Bitte, ich bin extra den weiten Weg aus Manchester hergelaufen. Ich muss unbedingt mit Mrs Ashworth sprechen. Es ist sehr wichtig.«
    Den Butler schien das ausgesprochen wenig zu beeindrucken. »Glaubst du etwa, dass eine Mrs Ashworth geneigt sein könnte, sich mit jemandem wie dir abzugeben? Mach, dass du fortkommst, sage ich.« Da erwachte Klein-Mary in Cathys Armen und fing an zu weinen. Sie war hungrig und unterkühlt, dazu die laute Stimme des Mannes – es war kein Wunder, dass sie schrie. »Herrgott!«, zischte der Bewacher des Eingangs, jetzt ernstlich erbost. »Nimm diesen Schreihals und verschwinde. Sofort! Ich dulde Pack wie euch nicht vor dem Haus. So weit kommt es noch!« Er versetzte Cathy einen unsanften Stoß. Beinahe wäre sie rücklings die Treppe hinuntergefallen. Doch sie durfte nicht aufgeben, sie musste einfach mit Mrs Ashworth sprechen. »Bitte, es ist wirklich wichtig!«, flehte sie, doch die Tür wurde ihr mit einem lauten Knall vor der Nase zugeschlagen.
    Cathy wiegte das schreiende Kind in den Armen und überlegte fieberhaft. Was konnte sie tun? Erneut anklopfen oder ihr Glück beim Hintereingang versuchen? Nein, dort würde sie erst recht kein Gehör finden. Sie durfte nicht aufgeben. Mit grimmiger Miene betätigte sie erneut den Türklopfer. Nichts rührte sich, doch Cathy war nicht bereit aufzugeben. Sie würde einfach so lange

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