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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Er musste nach einem heftigen Kampf fliehen, ja, um sein Leben rennen. Wir alle sind nun in Gefahr, Mary, ihre Geschwister, selbst ich und das Kind hier in meinen Armen. Wir müssen uns verstecken wie Diebe. Mary konnte zwar bald darauf selbst entwischen, aber es nützt ihr nicht viel. Sie kann sich nicht auf die Straße wagen und schon gar nicht irgendwo um Arbeit fragen. Diese Verbrecher sind nach wie vor hinter ihr her. Wir sind wirklich in Not, und das hat letztlich Ihr Mann in seiner Unmoral zu verantworten.«
    Ihre Zuhörerin schwieg noch immer, aber Cathy hoffte inständig, dass ihre Worte sie erreichten. »Aaron hat das nicht mehr ertragen können«, sagte sie. »Es war einfach zu viel. Sie wissen selbst, dass Ihr Ehemann ihm schon zuvor – aus Gründen, die Ihnen nur zu gut bekannt sind – die eigentlich zugesagte Stelle verweigert hatte und ihn stattdessen an die Dampföfen schickte. Eine Arbeit, die jeden Mann über kurz oder lang tötet. Aaron hat daraufhin beschlossen, sich an dieser Chartistenaktion vor vier Wochen zu beteiligen. Sie haben sicher in der Zeitung davon gelesen, auch dass diese furchtbar scheiterte. Es gab sogar einen Toten, einen Freund meines Mannes. Gewiss war das unbedacht von Aaron, aber das alles tat er im Grunde nur aus verständlicher Wut und Verzweiflung. Mrs Ashworth, ich frage Sie in aller Aufrichtigkeit: Hat er es nun verdient, vor Gericht gestellt und möglicherweise dem Tod überantwortet zu werden? Bestimmt nicht! Denken Sie nicht genauso darüber?«
    Der Blick der Frau war noch immer hart. »Vielleicht! Aber was stellst du dir vor? Wie könnte ausgerechnet ich etwas daran ändern?«
    »Ich hoffte, Sie könnten als Ehefrau von Mr Ashworth erwirken, dass die Anklage fallen gelassen wird, indem Sie Ihren Gatten dazu bewegen ...«
    »Ha!« Die Frau lachte hart auf. »Mein Gatte tut, was er will. Weiß Gott, ich wünschte, er müsste dafür bezahlen und das nicht zu knapp. Aber ich fürchte, er wird sich – wie immer – nicht im Geringsten darum scheren. So wie er sich auch nicht um seine Mitmenschen und seine Familie und am wenigsten um mich schert. Das Einzige, was Mr Henry Ashworth interessiert, ist Mr Henry Ashworth selbst. Verflucht soll er sein dafür.«
    »Sehen Sie denn wirklich keine Möglichkeit?«
    Mrs Ashworth zuckte mit den Schultern, starrte aus dem Fenster und schwieg. Cathy senkte den Blick. Sollte ihre letzte Hoffnung so zerrinnen? Doch da kehrte die Hausherrin plötzlich zurück zu ihrem Sessel und setzte sich wieder. Ein seltsamer, ja geradezu gehässiger Ausdruck lag jetzt auf ihrem Gesicht. Cathy, die nicht wusste, was sie von dieser eigenartigen Veränderung im Verhalten der Frau halten sollte, sah sie verunsichert an.
    »Noch ist nicht alles verloren. Ich bin zufällig gut bekannt mit der Ehefrau des obersten städtischen Magistrats. Ich werde sie morgen aufsuchen und ihr die Sache vortragen. Mit ein bisschen Glück kann ich sie und ihren Gatten davon überzeugen, dass die Anklage fallen gelassen wird. Allerdings wird man deinen Ehemann natürlich kaum unbehelligt weiter in Manchester bleiben lassen. Es geht nicht an, dass ein gewaltbereiter Chartist so mir nichts dir nichts wieder frei herumläuft. Das wäre ein verheerendes Signal an die anderen. Dazu wird sich der Magistrat niemals hergeben, das dürfte auch dir klar sein. Ich werde leider für ihn bürgen müssen.«
    Cathy nickte betroffen. »Gewiss! Wir würden auch bestimmt bald fortgehen. Wenn sie ihn nur schnell freilassen. Er ist sehr krank, wissen Sie, ich fürchte ...«
    »Krank, sagst du? Hm, das ist schade. Er schien mir doch, als ich ihn das letzte Mal sah, ein ausgesprochen kräftiger, vitaler Mann zu sein. Tja, in diesem Fall ...« Sie wandte sich ab.
    »Oh, ich bin mir ganz sicher, wenn er aus diesem schrecklichen Kerker hinauskommt, wird es ihm bald wieder besser gehen. Ich werde ihn so gut pflegen, wie ich kann und sobald er wieder gesund ist, werden wir uns auf den Weg machen. Ganz bestimmt!«, sagte Cathy hastig.
    Mrs Ashworth warf ihr einen spöttischen Blick zu. »Das wird nicht nötig sein. Ich werde mich lieber selbst darum kümmern. Für dich habe ich ganz andere Pläne. Du wirst mir noch dankbar sein, glaube mir.«
    Cathy zuckte irritiert zurück. Was sollte das bedeuten? Eine vage Furcht beschlich sie.
    »Lady Fountley, die Frau des zukünftigen Barons of Tounton, hat kürzlich eine Schule eröffnet«, verkündete Mrs Ashworth. Ein Lächeln trat auf ihre Lippen, das ihre

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