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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Stanton, ich muss Ihnen noch einmal sagen, wie froh ich bin, dass Mrs Ashworth Sie mir empfohlen hat. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, noch jemanden zu finden. Zu Anfang werden Sie zwar unserem Lehrer, Mr Croach, zur Hand gehen müssen, zumindest so lange, bis Sie genügend eigene Schülerinnen haben, aber das wird sicher bald der Fall sein. Sie werden die Mädchen dann hier oben im ersten Stock unterrichten. Das macht Ihnen doch hoffentlich nichts aus? Der größere Unterrichtsraum unten wurde für die Jungen reserviert. Das war eine Auflage seitens des Magistrats. Ich bedaure das zwar, aber es ließ sich nicht ändern«, sprudelte es aus Mary-Ann Fountley heraus. Sie schien wirklich überglücklich und wartete Cathys Antwort gar nicht ab, sondern ging jetzt voller Tatendrang zu einem Schrank in der Ecke und öffnete ihn. »Hier habe ich Ihnen schon Unterrichtsmaterial bereitgelegt. Natürlich wird es vorwiegend Hauswirtschaft sein, die Sie unterrichten werden, aber natürlich auch Lesen, Schreiben und Rechnen.« Sie zwinkerte Cathy verschwörerisch zu. »Und einiges darüber hinaus. Schließlich wollen wir hier vor allem den Verstand der kleinen Schülerinnen anregen.«
    »Ich werde mein Bestes tun, Mylady«, sagte Cathy steif.
    Mary-Ann Fountley sah sie plötzlich mitleidig an, kam dann auf sie zu und legte sanft den Arm um sie. »Hören Sie, Mrs Stanton, das mit Ihrem Mann tut mir sehr leid. Allerdings war es auch eine grandiose Dummheit, an der er sich da beteiligt hat. Was hat er sich nur dabei gedacht? Aber glauben Sie mir, Mrs Ashworth wird sich seiner vorbildlich annehmen. Sie ist ohne Zweifel eine erstaunlich hilfsbereite Person. Ich war überrascht zu hören, wie couragiert sie sich für Ihren Ehemann eingebracht hat. Die Sache stand doch wohl auf Spitz und Knopf, wie sie mir selbst berichtete. Ohne Mrs Ashworths Einsatz wäre übrigens auch die Schule niemals Realität geworden.« Sie drückte Cathy für einen Augenblick tröstend an sich. »Seien Sie nicht verbittert, er lebt immerhin und das in Freiheit. Sie können sich ja zuweilen, wenn es Ihre Aufgaben zulassen, auch auf einen Besuch nach Moston Park aufmachen, nicht wahr? Schließlich ist es nicht allzu weit von hier. Gerade eine knappe Stunde mit der Kutsche. Den Ehefrauen von Seeleuten und Militärs geht es im Grunde nicht anders als Ihnen. Die sehen ihre Männer oft über Jahre nicht.«
    Cathy schwieg. Was hätte sie Mary-Ann Fountley auch sagen sollen? Gewiss, sie musste dankbar sein für Aarons Überleben, für seine Freilassung, für diese Stelle, die man ihr angeboten hatte. Damit hatte zumindest die unmittelbare Not ein Ende. Aber Aaron hatte dennoch auf furchtbare Weise recht behalten. Der Preis, den sie dafür zu zahlen hatten, war zu hoch. Rasch senkte sie den Blick, damit Mary-Ann Fountley nicht bemerkte, wie sich Tränen der Bitterkeit in ihren Augenwinkeln sammelten. Wenn sie doch nur endlich gehen würde! Doch Isobels Cousine schien bester Dinge und hatte sich schon wieder dem Schrank mit den Unterrichtsmitteln zugewandt. »Wenn Sie noch weitere Bücher oder anderes brauchen, dann lassen Sie es mich einfach wissen.« Cathy seufzte leise. Wenigstens schien Mary-Ann Fountley nach wie vor völlig ahnungslos über die wahre Identität ihrer neuen Lehrerin zu sein und so musste es auch bleiben.
    Plötzlich war das Geräusch nackter Kinderfüße auf der Treppe zu hören. Kurz darauf stürzte William herein. »Cathy, bitte komm ...« Er verstummte abrupt. Mit weit aufgerissenen Augen sah er zu Mrs Fountley hinüber, die ihn verwundert musterte. Cathy, die hinter ihr stand, legte rasch den Finger auf die Lippen. Glücklicherweise verstand der Knabe sofort. »Ah, William«, sagte Cathy schnell, »habt ihr alles, was von unseren Sachen noch in der Färberei war, hierherbringen können? Komm, ich helfe euch, alles hinaufzuschaffen.« Sie wandte sich an Mrs Fountley. »Ich fürchte, ich habe jetzt zu arbeiten, Mylady. Mr Croach wird mir alles Notwendige sicher morgen noch mitteilen. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen?« Schnell nahm sie William bei der Schulter und führte ihn aus dem Zimmer. »Was ist passiert?«
    »Mary!« Williams schmaler Jungenkörper bebte vor Entsetzen.
    Bangigkeit kroch in Cathy hoch. »Was ist mit ihr? Sprich!«
    »Wir sind eben in unser Viertel eingebogen und da hat sie ihn gesehen!«
    »Wen?«
    »Diesen Mann, dem sie das Auge ausgestochen hat. Zusammen mit zwei anderen. Er schien auf der Suche

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