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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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nach jemandem zu sein.«
    »Um Himmels willen. Haben sie euch auch gesehen?«
    »Ich weiß es nicht. Cathy, ich hab solche Angst.«
    Cathy drückte den Jungen an sich. »Und wo ist Mary jetzt?«
    William zuckte hilflos mit den Schultern. »Sie hat gesagt, wir müssten uns trennen. Sie dürften uns auf keinen Fall zusammen sehen.«
    »Das war klug von ihr.«
    »Ich bin dann so schnell ich konnte zu dir gelaufen.«
    Jäh durchzuckte Cathy der schreckliche Gedanke, dass die Männer dem Jungen womöglich gefolgt waren. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, doch sie wischte ihre Furcht tapfer beiseite. »Bring mich sofort dorthin, wo ihr euch aus den Augen verloren habt, William.«
    Der Junge wimmerte leise auf, doch dann rannte er rasch die Treppe hinunter. Cathy folgte ihm so schnell sie konnte. Nervös sah sie sich um, als sie vor das Schulhaus trat. Die ehemalige kleine Buchdruckerei war zwischen zwei ähnlichen Backsteinhäusern eingeklemmt. Auf der Straße davor herrschte reges Treiben. Keiner der Passanten schien an ihnen beiden interessiert zu sein, also drohte wohl keine unmittelbare Gefahr. Trotzdem sah sie sich immer wieder um, während sie William, der auf nackten, flinken Füßen vor ihr durch die Gassen lief, folgte.
    Von Weitem sah sie schon den Handkarren, der herrenlos auf der Straße stand. Von ihren Habseligkeiten war außer ein paar Lumpen und einem Wasserkrug, der jetzt ein großes Loch aufwies, längst nichts mehr vorhanden. Es war alles bereits gestohlen worden. Von Mary fehlte jede Spur. Cathys Brust krampfte sich schmerzhaft zusammen und sie begann zu zittern. Oh, sie wagte gar nicht daran zu denken, was diese Verbrecher mit dem Mädchen anstellen würden.
    William zog sie am Ärmel. »Wo ... wo ist sie?«, fragte er. Tränen liefen ihm über die Wangen.
    »Ich weiß es nicht, William.«
    »Aber sie muss doch irgendwo sein. Oder denkst du ...«, er schluckte krampfhaft, »denkst du, sie ...«
    »Cathy?«, fragte eine vertraute Stimme hinter ihr. Cathy fuhr herum. »Mary! Oh, Gott sei Dank, du lebst!«
    »Ich bin schnell dort in das Abflussrohr gekrochen, da haben sie mich nicht gefunden. Vielleicht haben sie mich auch gar nicht gesehen, ich weiß nicht. Aber die Leute haben all unsere Sachen mitgenommen. Ich konnte nichts dagegen tun. Es tut mir wirklich leid, du hast nur Arger mit mir.« Mary schniefte. Ihre Kleidung war völlig verdreckt und stank entsetzlich. Cathy war es gleichgültig. Rasch zog sie das Mädchen an sich und hielt es fest. »Du lebst, das ist das Einzige, was zählt, Mary. Ich kann dir nicht sagen, wie froh ich bin.«
    »Aber unsere Sachen ...?«
    »Das ist nicht wichtig! William, holst du den Karren, bitte?« Der Junge, dem die Erleichterung geradezu ins Gesicht geschrieben war, sprang davon, raffte die Überreste ihrer Habe zusammen und ergriff die Deichsel des Karrens. Cathy legte Mary schützend den Arm um die Schulter, doch ihre Gedanken rasten. Konnte sie es verantworten, weiter hier auszuharren, sich abzufinden, die Dinge einfach hinzunehmen? Nein! Dazu war sie nicht mehr bereit, auch wenn sie im Grunde keine andere Wahl hatte. Sie musste dringend mit Aaron sprechen. Er würde einer gemeinsamen Flucht sicher zustimmen.

Kapitel 40
    London, Coldbath Fields Prison, 19. Februar 1841
    Kapitel 40
    Die Kerze auf dem Tischchen neben seinem Bett war längst heruntergebrannt, das erste Licht des Morgens würde bald heraufdämmern. Noch aber war das Haus nicht erwacht. Gott sei Dank! Aaron fühlte sich schrecklich schwach, aber es musste sein. Keinen Augenblick länger würde er in diesem gottverdammten Haus bleiben, und wenn er auf Knien davonkriechen musste. Diesen Entschluss hatte er in den vergangenen, schlaflosen Stunden gefasst, obwohl es ihm nach wie vor schwerfiel, seine Gedanken zu ordnen. Wo waren nur seine Kleidungsstücke hingekommen? Immer noch schmerzten seine Glieder und jeder Atemzug bereitete ihm Mühe. Schwankend erhob er sich und tat einige unsichere Schritte zur Tür, die einen eigenwilligen Tanz vor seinen Augen vollführte. Er streckte die Hand aus. Verflucht, warum bekam er nur diesen Türgriff nicht zu fassen? Das ganze Zimmer drehte sich jetzt. Er suchte Halt an dem Tischchen neben der Tür. Plötzlich sackten ihm die Knie weg und alles wurde schwarz.
    Einige Augenblicke später wurde hastig die gut verriegelte Tür zum Krankenzimmer aufgeschlossen und Mrs Ashworth in Nachthemd und Morgenmantel, dicht gefolgt von George, stürzte herein. Der Butler seufzte

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