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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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vage geantwortet. Er mutmaßte deshalb irgendein besonderes Schicksal. Vielleicht war sie ja eine verstoßene Tochter aus gutem Hause, die an einen Nichtsnutz von Mann geraten war, vermutlich war es das. Er selbst hatte schließlich auch schon weitaus bessere Tage gesehen. Das Schicksal konnte einem manchen Streich spielen.
    »Werde ich mir morgen freinehmen können, Mr Croach? Es ist wirklich sehr wichtig.«
    Unbemerkt war seine junge Kollegin an sein Pult getreten. »Hm, ja, wir sprachen davon, ich weiß ...« Eigentlich wollte er nicht gern auf ihre Anwesenheit verzichten. Wenn sie ihm im Unterricht half, waren die wilden und halb verwahrlosten Arbeiterbälger wesentlich zahmer, doch sie lag ihm nun schon seit Tagen damit in den Ohren. Er konnte es ihr nicht länger verweigern. »Also gut, es sei Ihnen gegönnt. Aber denken Sie daran, dass Sie hier gebraucht werden.«
    Die rothaarige junge Frau lächelte knapp. »Ich weiß, Mr Croach.«
    Schelmisch drohte er ihr mit seinem gichtigen Finger. »Ich verlasse mich auf Sie, wenn Sie übermorgen nicht pünktlich erscheinen, werde ich die Polizei nach Ihnen suchen lassen.« Überrascht bemerkte er, dass seine scherzhaften Worte sie erschreckten. Doch der Eindruck verwischte sich sofort wieder. »Ich werde da sein, Mr Croach.«
    Cathy wandte sich ab. Die Lüge fiel ihr nicht leicht und sie fürchtete, dass Mr Croach, dieser so freundliche und leutselige ältere Mann, die Wahrheit in ihren Augen lesen könnte. Von ihren Plänen durfte er nichts wissen. Fest umklammerte ihre linke Hand das Geld, das sie in ihre Rocktasche eingenäht hatte. Es war nicht viel. Vier Pfund und zwanzig Schillinge – das meiste des Vorschusses, den ihr Mary-Ann Fountley ge¬geben hatte. Das Geld war die Garantie dafür, dass sie nicht verhungerten auf ihrer Flucht. Mit den Kindern hatte sie alles besprochen. William und Debby hatten allerdings lange Gesichter gemacht. Ihnen gefiel ihr neues Leben im Schulhaus, das bessere, regelmäßige Essen, das sie nun bekamen. Besonders William hatte am Unterricht, den er nun auch besuchen durfte, Gefallen gefunden. Er war ein heller Kopf und lernte recht schnell. Mr Croach war sehr zufrieden mit ihm und lobte ihn, wo er konnte. Es ging ihnen besser als seit Langem ... doch ihr Entschluss stand fest. Am nächsten Tag in aller Frühe würde sie sich nach Moston Park aufmachen.
    ***
    Cathy wusste den spöttischen Blick des Butlers nicht recht zu deuten, als dieser sie einließ. Der Mann war ihr wirklich unangenehm. Zwar war er längst nicht so abweisend und grob wie bei ihrem ersten Besuch, aber sein Gesichtsausdruck verhieß beileibe nichts Gutes. »Ich möchte meinen Mann spre¬chen«, verlangte Cathy nachdrücklich. Sie würde sich auf keinen Fall einschüchtern lassen, das hatte sie sich auf der Fahrt jedenfalls fest vorgenommen, die sie frierend auf der offenen Pritsche des Ladewagens eines mitleidigen Bierhändlers ver¬bracht hatte. Immerhin war ihr so der beschwerliche Fußweg erspart geblieben.
    »Warte hier«, wies er sie an, »ich werde sehen, ob Mrs Ashworth bereit ist, dich zu empfangen.«
    »Ich sagte doch, ich will nur mit meinem Mann sprechen«, gab Cathy ein wenig ärgerlich zurück. Der Butler zog die Augenbrauen nach oben. »Das wird Mrs Ashworth zu entscheiden haben«, sagte er blasiert.
    »Das werden wir sehen!«, antwortete Cathy drohend.
    Wartend stand sie in der mit Marmor und vergoldeten Spiegeln geradezu überladenen Halle, als sie plötzlich ein leises Kichern vernahm, das von der Galerie rechts über ihr kam. Zwei der Hausmägde sahen zu ihr hinunter, tuschelten miteinander und begannen erneut zu kichern. Unangenehm berührt schlang sich Cathy ihr Tuch enger um die Schultern. Was um alles in der Welt war denn so lächerlich daran, dass sie berechtigterweise ihren Mann zu sehen wünschte?
    Da tauchte der Butler wieder auf. Mit einem beiläufigen Wink von der anderen Seite der Halle bedeutete er ihr, ihm zu folgen. Ganz so, als wäre sie nichts als eine lästige Bittstellerin. Vermutlich war sie das auch in seinen Augen. Eine Welle des Ärgers schoss in ihr hoch, aber sie durchquerte dennoch den Raum und schloss sich dem Diener an, der sie, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, in den hinteren Bereich des Herrenhauses führte. Durch einen Salon, der wohl als Speiseraum diente, betraten sie schließlich einen großen Wintergarten mit einem herrlichen Ausblick auf die Gartenanlagen von Moston Park. Die winterliche Morgensonne

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