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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Unruhig machte sich Aaron auf den Weg zurück ins Erdgeschoss des Fabrikgebäudes, wie Cathy es von ihm verlangt hatte. Er verspürte trotz aller Sorge, die er ihretwegen empfand, auch etwas Arger: Warum hatte sie nicht aufgehört zu arbeiten, als sich das Kind ankündigte? Darüber würde er mit ihr noch zu reden haben. Was, wenn sie getötet worden wäre? Ihm wurde ganz schlecht vor Angst bei dem bloßen Gedanken. Hatte er ihr nicht deutlich – und aus gutem Grund – gesagt, was er von ihren Plänen hielt? Und nun war sie durch den verletzten Arm nicht einmal in der Lage, das Kind allein zu versorgen!
    Doch dann schüttelte er den Kopf und schalt sich selbst. Er durfte Cathy keine Vorwürfe machen. Sie hatte es ja nur aus Sorge um die Versorgung ihrer kleinen Gemeinschaft getan. Es war nicht Cathys Schuld, es war diese Stadt, die ihren Bewohnern die Hölle auf Erden bereitete. Wut stieg in ihm auf und nahm ihm fast den Atem. Er war geradezu froh, dass er diese nun an der Baumwolle auslassen konnte.
    »Wird auch Zeit!«, rief Priestley, als er Aarons ansichtig wurde. »Hab schon gehört, dass man einen Arzt geholt hat. Was ist mit deinem Weib?«
    »Sie kann die nächste Zeit nicht arbeiten. Das Kind kommt, deshalb ist sie in die Maschine geraten. Ihr Arm ist verletzt«, brüllte Aaron zurück. Wenn man ihn doch nur in Ruhe lassen würde!
    »Tja, Pech!«, meinte Priestley dazu. »Dann wird's jetzt aber knapp für euch, dein Lohn reicht wohl kaum für euch beide.«
    Aaron zuckte mit den Schultern. »Was will ich machen? Ich würde was drum geben, eine besser bezahlte Stelle zu bekommen, aber ich kann nichts finden.«
    Priestley kam näher. »Vielleicht könnte ich helfen, Stanton.«
    Verwundert sah Aaron ihn an. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Dass Priestley sich überhaupt um so etwas Gedanken machte? Vielleicht war er doch nicht so hart, wie er schien. »Das wäre wirklich sehr freundlich von Ihnen, Mr Priestley. Es ist nämlich so, dass mein Lohn nicht nur für uns und das Baby reichen muss.«
    Verdutzt hob Priestley die Augenbrauen.
    »Wir haben die drei älteren Kinder von McGillan bei uns aufgenommen. Die Mutter hat sie im Stich gelassen.«
    »Oh! Na, ihr müsst schließlich wissen, was ihr tut. Schwer genug für einen Arbeiter, die eigene Brut durchzubringen«, stellte Priestley lapidar fest. »Aber dann wird dir die Chance auf einen besseren Verdienst umso mehr gelegen kommen.«
    Aarons Neugier war längst geweckt, sein Zorn wie weggewischt. »Was für eine Arbeit wäre das?«
    Priestley lächelte geheimnisvoll und ließ dabei zwei abgebrochene Zähne zwischen gelblichen Stummeln sehen. »Der alte Wheaton hat heute Morgen angekündigt, sich zur Ruhe setzen zu wollen.«
    »Wheaton, der den Transport vom Baumwollmarkt hierher organisiert?«
    »Genau der!«, bestätigte Priestley.
    Aarons Herz begann zu klopfen. Wenn er diese Stelle bekommen könnte, wären ihre Sorgen nachhaltig gelöst. Außerdem hätte er dann auch die Pferde und Wagen unter sich – zu schön, um wahr zu sein! »Meinen Sie denn, ich hätte eine Chance, die Stelle zu bekommen?«
    »Möglich wäre es«, meinte Priestley zuversichtlich, »du hast jedenfalls viel Fleiß und Umsicht bewiesen. Außerdem weiß ich, dass du dich auf Pferde verstehst. Aber was das Wichtigste ist, du kannst doch lesen, schreiben und rechnen. Und das muss der Transportmeister beherrschen. Schließlich muss er die Tagespreise und Mengen der Baumwolllieferungen kontrollieren. So dicht sind solche Leute nun auch nicht gesät.«
    »Sicher, das kann ich schaffen«, bestätigte Aaron eifrig. Er konnte seine Aufregung kaum noch im Zaum halten. Was würde Cathy dazu sagen? Endlich wendete sich das Blatt! So hatten sich die Mühen doch gelohnt, die Cathy aufgewendet hatte, um ihm das Nötige beizubringen.
    »Ich denke auch, dass du das kannst, Stanton. Deshalb werde ich Wheaton sagen, er soll dich Mr Ashworth vorschlagen, wenn er um seine Entlassung bittet.«
    »Oh!«, meinte Aaron nicht mehr ganz so begeistert. »Ich weiß nicht, ob Mr Ashworth dem zustimmen wird. Er war ziemlich ungehalten wegen Cathys Unfall.«
    Priestley zog eine ärgerliche Grimasse. »Ja, sicher, wenn etwas passiert, sind immer die Arbeiter selbst schuld, oder aber die Vorarbeiter. Dabei ist das Pensum, das Mr Ashworth von uns verlangt, kaum noch zu schaffen, außer er expandiert. Na ...«, seine Miene hellte sich wieder auf, »lass dir deshalb keine grauen Haare wachsen, Stanton. Mr

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