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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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der Gewalt. »Hauptsache, sie wird wieder gesund.«
    »Ganz bestimmt! Aber nun halte sie fest, während ich den Arm richte. Sie wird es leider mitbekommen, auch wenn sie noch benommen ist. Ach, Mrs Ashworth, wären Sie so freundlich und würden mir heißes Wasser und saubere Tücher, so es hier welche gibt, organisieren? Das wäre sehr hilfreich«, sagte Dr. Bloomsdale, indem er sich an die Gemahlin des Spinnereibesitzers wandte, die mit aschfahlem Gesicht in den Winkel bei der Tür gedrückt stand. Besser, er schickte sie hinaus, bevor sie tatsächlich in Ohnmacht fiel. »Aber gewiss doch, gerne, Dr. Bloomsdale!«, versicherte diese und war im nächsten Augenblick aus dem Büro verschwunden, froh, dem Kommenden entronnen zu sein.
    Mrs Ashworth beeilte sich, so rasch wie möglich einen Abstand zwischen sich und die Tür des Büroraums zu bringen. Dennoch drangen die schmerzerfüllten Schreie der Arbeiterin noch an ihr Ohr, als der Arzt sich daran machte, die Knochen wieder in die richtige Position zu rücken. Zu ärgerlich, dass sich dieser Vorfall gerade ereignen musste, als sie mit Mary-Ann Fountley eigentlich nur der Form halber einen Besuch in der Spinnerei abstattete. Sie zog es sonst vor, diesen lauten, schmutzigen Ort weitgehend zu meiden, den ihr Mann offenbar für so unverzichtbar hielt, dass er die meiste Zeit des Jahres dort verbrachte. Aber die junge Mrs Fountley hatte sie ausdrücklich um eine Besichtigung gebeten. Dass diese sich überhaupt für so etwas interessierte! Es war ihr ein Rätsel. Wenn sie hierherkam, dann eigentlich nur, um ihrem Mann hin und wieder deutlich zu machen, dass sie ihn im Auge behielt.
    Ihr Mann war es auch gewesen, der sie darum gebeten hatte, sich um die Frau des angehenden Baron of Tounton besonders zu bemühen. Eigentlich war es eher eine Anordnung gewesen, um derenthalben er extra – was er sonst gerne vermied – nach Moston Park, ihren Landsitz vor Manchesters Toren, den ihr ihr erster Mann hinterlassen hatte, gekommen war. Es sei unbedingt notwendig, in der momentanen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens einen guten Eindruck bei den Fountleys zu hinterlassen, so hatte er ihr auseinandergesetzt und es dabei nicht unterlassen, sie darauf hinzuweisen, dass der Gewinn aus der Spinnerei das Ergebnis seines klugen Handelns sei, von dem auch sie profitiere.Fountley hätte das Wohlwollen der Anführer der Freihandelsbewegung, sei zudem Angehöriger der Adelsklasse und darüber hinaus ein Barrister 23 für Wirtschaftsrecht mit entsprechenden Ambitionen. Es sei abzusehen, dass der Mann in kurzer Zeit erheblichen Einfluss gewinnen werde.
    Obwohl sie sonst kaum geneigt war, den Wünschen ihres Ehegatten noch zu entsprechen, hatte sie sich also darauf eingelassen, dieses neue Gestirn am Himmel der einflussreichen Persönlichkeiten Manchesters in die hiesige Gesellschaft und deren Gepflogenheiten einzuführen. Das versprach wenigstens etwas Abwechslung im täglichen Einerlei von Moston Park. Sie langweilte sich ohnehin fast zu Tode, seit ihre Söhne sich die meiste Zeit des Jahres in London vergnügten. Außerdem liebte sie es einzukaufen und brannte darauf, der jungen Mrs Fountley ihre exquisiten Kenntnisse von Manchesters exklusivsten Möbelgeschäften, Innenausstattern und nicht zuletzt Damenschneidern vorzuführen. Aber das konnte sie für heute wohl vergessen. Ach, es war zu lästig!
    Durch einen Gang, der zu den Fertigungsräumen der Fabrik hin mit einer schweren Tür abgetrennt war, betrat sie den privaten Arbeits- und Wohnbereich ihres Ehemanns. Zwar sollte die Tür den Lärm der Maschinen draußen halten, aber das gelang nur unzureichend. Das dumpfe Hämmern der Dampfkolosse im Herzen des riesigen Gebäudes dröhnte durch jeden einzelnen Stein des Mauerwerks und ließ die Fenster, die vom Gang auf den Hof der Fabrik hinausgingen, rhythmisch erzittern. Das aus der Entfernung bedrohlich klingende Brummen der Maschinen berührte sie unangenehm. Durch eine weitere Tür kam sie in einen düsteren Vorraum, der zum Büro ihres Mannes führte. Schon durch die geschlossene Tür hörte sie ihn toben. Offenbar machte er den Vorarbeiter Bole für den Unfall verantwortlich und ließ seinem Arger freien Lauf. Ihr Mann war leider oft ungerecht und obendrein cholerisch. Auch die Fähigkeit, eigene Versäumnisse anzuerkennen, war seine Sache nicht. Charakterzüge, die sich in die schier endlose Phalanx der Unzulänglichkeiten von Mr Ashworth nahtlos einreihten. Aber das war nicht einmal

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