Stadt der Schuld
aus den Kolonien begründet hatte. Doch auch wenn ihr Geld seinen eigenen Aufstieg beschleunigt hatte, so hatte er inzwischen mehr als einmal bereut, dieses schnippische und obendrein alternde Weib geheiratet zu haben. Es war an der Zeit, ihr wieder einmal gehörig die Grenzen aufzuzeigen. »Richtig, ich habe dich wegen deines Geldes geheiratet«, gab er mit ätzendem Spott zurück, »dein nicht vorhandener Liebreiz ist jedenfalls nicht der Grund dafür gewesen.«
Befriedigt stellte er fest, dass es ihm gelungen war, sie zu kränken. Ihre mit dem Alter rapide schwindende Schönheit falls sie überhaupt je nennenswert gewesen war – machte ihr zu schaffen, und wenn sie es zu bunt trieb, legte er seinen Finger mit Wonne in diese Wunde.
Wütend starrte sie ihn an, die Lippen zu einem hässlichen, faltigen Strich zusammengekniffen. Ihre Schultern zitterten vor Empörung, genauso wie ihr etwas zu üppig angelegter Schmuck. Gerade, als sie zu einer lautstarken Replik ansetzen wollte, schlug er genussvoll noch einmal zu: »Ach, ich bitte dich, Deodra! Die Sache lohnt nicht. Es ist doch nur die Wahrheit. Wutausbrüche verstärken nur deine zahlreichen Falten, meine Liebe. Wir sollten es jetzt dabei bewenden lassen, nicht wahr? Immerhin hast du dich eine Zeit lang vor deinen Freundinnen damit spreizen können, einen deutlich jüngeren Ehemann im Bett zu haben als sie. Du hast also keinen Grund dich zu beklagen, ich habe es dir schließlich besorgt zumindest so weit, wie ich es für meine Pflicht hielt.« Sie brachte nur noch ein ersticktes Japsen heraus angesichts seines unflätigen Spotts. Es war ihm nur zu recht. Er wollte sie treffen. »Außerdem habe ich als dein Gatte ohnehin ein verbrieftes Recht auf die unumschränkte Verwendung deines Vermögens. In guten wie in schlechten Tagen – du erinnerst dich hoffentlich.« Das saß! Sie knickte förmlich zusammen. Ihre sonstige Überheblichkeit kam gefährlich ins Wanken. Gott, wie sehr er ihrer überdrüssig war! Schlimm genug, dass sie sich in regelmäßigen Abständen auf Gesellschaften oder im Theater sehen lassen mussten, um den Schein zu wahren. Allerdings ging es anderen Paaren wohl auch nicht besser. Die Ehe war schon eine perfide Einrichtung. Er seufzte. »Also, heißes Wasser und Tücher? Läute nach Bertha, sie wird das Gewünschte in die Fabrik hinüberbringen. Und nun möchte ich dich darum bitten, mich in Ruhe arbeiten zu lassen. Ich sorge mich nämlich um die Mehrung unseres Vermögens, falls du es noch nicht bemerkt hast.«
Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Raum. Ashworth atmete tief ein. Vermutlich würde ihm nun wenigstens die lästige Pflicht, den Begleiter für die Damen spielen zu müssen, für heute erspart bleiben.
Gut!
Er würde nach diesem katastrophalen Tag ohnehin einen Besuch im Bordell vorziehen. Ein wenig Entspannung würde ihm guttun, bevor er sich zur Versammlung aufmachen musste.
***
»Du gehst jetzt besser hinaus, Stanton!«, meinte Dr. Bloomsdale freundlich, aber bestimmt. »Ehemänner haben bei Geburten nichts verloren. Keine Sorge, es sieht bisher ganz gut aus.«
Aaron wandte sich mit fragendem Blick Cathy zu, die schwer atmend und mit gespreizten Beinen auf dem Tisch lag. Die Wehen kamen jetzt heftiger und in viel schnelleren Abständen. Cathy nickte ihm zu. »Es ist gut, Aaron, geh nur!«
»Ich bleibe vor der Tür, Liebes! Wenn du mich brauchst, ich bin hier.«
»Nein, geh wieder zurück an die Arbeit. Priestley wird sonst böse werden. Es ist schon schlimm genug, dass ich hier so einen Aufruhr verursacht habe. Du sollst nicht auch noch Arger bekommen. Das können wir uns nicht leisten, Aaron«, sagte Cathy eindringlich und entzog ihm entschlossen ihre Hand. Kurz darauf verzog sie wieder schmerzgeplagt ihr Gesicht. Eine neue Wehe rollte heran. Ihr langgezogenes Stöhnen ging über in einen Schrei. »Atme, Cathy!«, kommandierte Dr. Bloomsdale. »Ja, so ist es gut! Nicht nachlassen!« Mit einem strengen Blick schickte der Arzt Aaron, der immer noch unschlüssig dabeistand, hinaus. Als er die Tür öffnete, wäre er beinahe mit der dicklichen Magd zusammengestoßen, die mit einem Stapel Tücher unter dem Arm und einer Schüssel mit heißem Wasser herbeieilte. Ein wenig Wasser schwappte auf den Boden.
»Na, endlich!«, schimpfte der Arzt ungehalten. »Ich warte sehnsüchtig darauf!« Mehr konnte Aaron nicht mehr verstehen, denn die Tür wurde schnell wieder geschlossen. Nur Cathys heftiges Keuchen war noch zu hören.
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