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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Abgeordnete Mr Horace Havisham! Wenn Sie wüssten, Baker!«
    »Ich will es gar nicht wissen. Was Sie sonst noch tun oder getan haben, gehört nicht hierher und hat mich auch nichts anzugehen. Was mich interessiert, ist die Aufrichtigkeit Ihrer Empfindungen für Meredith. Und diese Gefühle sind, wie mir scheint, tatsächlich von großer Ernsthaftigkeit geprägt.«
    Ein Augenblick des Schweigens trat ein. Dann ergriff Baker wieder das Wort: »Mr Havisham, wir beide sind Männer, die um die Brüchigkeit bürgerlicher Moralvorstellungen wissen und deshalb will ich nun ganz offen zu Ihnen sprechen: Meredith ist eine wunderbare und liebesfähige Frau, die einen Mann braucht, der sie liebt. So, wie ein Mann eine Frau eben lieben soll: mit aller Leidenschaft und Ernsthaftigkeit, zu der er fähig ist. Das ist etwas, das ich ihr nicht geben kann, das ich ihr aber von ganzem Herzen gönne. Sie sind zwar ein verheirateter Mann, Mr Havisham, aber Ihr Geständnis eben zeigt mir, dass die Zuneigung zu Ihrer Ehefrau eher zweitrangiger Natur ist.«
    Havisham sog bei der Erwähnung Isobels unbehaglich die Luft ein. »Sie ahnen nicht, wie sehr ich die Entscheidung für diese Eheschließung in der Zwischenzeit bedaure. Aber Sie wissen selbst, wie es heißt ... bis dass der Tod euch scheidet. Das erweist sich bei näherer Betrachtung leider als ein sehr langes Sterben.«
    »Was ich sagen will«, fiel Baker ihm ins Wort, »wenn Sie sich dazu entschließen sollten, Meredith Ihre Gefühle für sie zu offenbaren – mit allen Konsequenzen zu offenbaren –, dann würde ich mich dem nicht in den Weg stellen. Machen Sie sich keine Gedanken deshalb.«
    Havisham starrte ihn entgeistert an. »Sie meinen, Sie hätten nichts dagegen, wenn ich ein Verhältnis mit Ihrer Frau beginne?«
    Sein Gegenüber schwieg.
    Havisham hielt es nicht mehr auf seinem Platz. Er sprang auf und durchmaß mit großen Schritten den Raum. Am Fenster angelangt, drehte er sich um und blickte seinem seltsamen Gast fest in die Augen: »Ich schwöre Ihnen, dass ich Meredith keinen Schaden zufügen werde.«
    »Davon gehe ich aus, Mr Havisham«, antwortete Baker ernst. »Ich will nur, dass sie glücklich ist.«
    Havisham blickte zu Boden. »Das will ich auch, ich schwöre es«, flüsterte er kaum hörbar.
    »Sie ist jetzt zu Hause«, sagte Baker sanft, »lassen Sie sie nicht länger warten. Und – zum Teufel mit der Moral! Es ist die Liebe, die zählt.«
    Havisham sah ihn mit brennenden Augen an, und dann, ganz plötzlich, stürzte er ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.
    Baker sah ihm nach. »Seien Sie gut zu meiner Meredith, Horace!«, sagte er leise.

Kapitel 11
    Kapitel 11
    Armindale beobachtete interessiert, wie sich die Eingangstür zum Stadthaus der Havishams öffnete und der Hausherr höchstpersönlich und offenbar in größter Erregung das Haus verließ. Weder hatte er einen Mantel an noch nahm er sich die Zeit, den Kutscher vorfahren zu lassen. Stattdessen winkte er kurzerhand eine Droschke heran und war im nächsten Moment davongefahren. Armindale überlegte gerade, ob er sich besser an Havishams Fersen heften sollte, da trat auch Rupert Baker aus dem Haus. Im Gegensatz zu Mr Havisham wirkte er keinesfalls erregt, eher zufrieden, ja, fröhlich. Er streifte seine Handschuhe über, rückte den eleganten Zylinder zurecht und ging dann ohne Hast in die Richtung, aus der er vorher gekommen war. Armindale sah ihm nach. Das alles war in der Tat höchst kurios. Irgendetwas ging hier vor sich, das sich sicher lohnen würde in Erfahrung zu bringen. Eines vor allem war offensichtlich: Havisham, dieser berechnende und stahlharte Geschäftsmann, als der er sich bisher geriert hatte, war anfällig geworden. Irgendetwas beunruhigte ihn zutiefst, erschütterte ihn bis in seine Grundfesten. Dass ein Horace Havisham derart kopflos aus dem Haus stürmte, war für Armindale bis eben einfach unvorstellbar gewesen. Was steckte dahinter? Erpressung? Nein! Immerhin hatte Rupert Baker selbst genug zu verbergen. Geldsorgen? Auch das schied aus. Havisham war ein gewiefter Geschäftsmann, der das Risiko immer klug streute. Es war kaum zu erwarten, dass er in eine plötzliche finanzielle Schieflage, die ein solches Verhalten rechtfertigen würde, geraten konnte. Schon gar nicht durch etwas, das mit den Bakers zusammenhing. Die waren nichts als ein kleiner Fisch gegenüber der Handelsmacht, die Havisham sich aufgebaut hatte. Green hatte ihn umfassend über die Unternehmungen Havishams in

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