Stadt der Schuld
zu tun und nichts bemerkt. Und selbst wenn – was konnte er auch dagegen einwenden, wenn Mr Ashworth sie zu sich rief? Der sollte sich mal trauen, sie deswegen zurechtzuweisen. Schnell huschte sie an den beiden anderen Speed Frames in ihrer Reihe vorbei hinüber zum hinteren Treppenabgang, der zum Wohntrakt des Besitzers führte. Die Blicke der beiden Arbeiterinnen, die daran beschäftigt waren, folgten ihr argwöhnisch, doch sie kümmerte sich nicht darum.
Mr Ashworth hatte nicht auf sie gewartet, aber sie hörte die Tür unten gehen. Rasch sprang sie die Treppe hinunter und riss mit einiger Mühe die schwere Eisentür auf, die die Fabrik vom Gang zu den Wohn- und Büroräumen trennte. Doch auch hier war er schneller gewesen. Sie durcheilte den Gang mit den großen Fensterscheiben zum Hof hinunter, öffnete die zweite Tür und befand sich im eher düsteren Vorraum des Büros, den sie nun schon zum vierten Mal betrat. Mr Ashworth war wohl schon in sein Büro gegangen, jedenfalls wartete er auch hier nicht auf sie. Plötzlich packten sie Zweifel. Hatte sie seine Geste missverstanden? Er hatte ihr doch gewunken, oder nicht? Sie spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Zaghaft klopfte sie an die Holztür des Büros.
»Komm rein, Mädchen!« Die Stimme von Mr Ashworth klang kräftig, aber nicht unfreundlich. Sie mochte seine Stimme. Er klang so selbstsicher. Anders als ihr Vater, den sie immer als ein wenig zu weich empfunden hatte. Vorsichtig öffnete sie die Tür und schlüpfte hindurch. Mr Ashworth saß nicht wie sonst hinter seinem Schreibtisch, sondern stand am Fenster, müßig gegen das Fensterbrett gelehnt.
»Du hast dich beeilt, wie ich sehe«, sagte er und richtete den Blick seiner hellbraunen Augen auf sie. Wie angewurzelt blieb sie in der Mitte des Raums stehen und nickte stumm. Mr Ashworths Blick machte sie nervös.
Er verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln: »Das gefällt mir. Es freut dich wohl, wenn ich dich zu mir rufe.«
Sie nickte noch einmal und hob dann mutig das Kinn. »Ich habe darauf gewartet.«
»So?«, er zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Ob er das Erstaunen spielte oder wirklich so meinte, wusste sie nicht zu sagen. »Du hast darauf gewartet, was du nicht sagst! Du scheinst ein sehr selbstbewusstes junges Fräulein zu sein.«
Nun sah sie ihm direkt in die Augen. Nur keine Unsicherheit zeigen, dachte sie. Sie wollte nicht, dass er sie fortschickte. Doch das schien er auch nicht vorzuhaben. Mit einer geschmeidigen Bewegung stieß er sich vom Fensterbrett ab und kam auf sie zu. Als er dicht vor ihr stand, nahm sie seinen Geruch wahr. Er roch sehr gut. Nach frischer Seife und irgendwelchen seltsamen Blumen oder Kräutern, die sie nicht kannte. Ein wenig Tabakduft war auch dabei. »Und warum wolltest du, dass ich dich rufe?«
Ihre Lider flackerten ein wenig, doch sie sagte kein Wort.
Sein Lächeln wurde eine Spur breiter, aber da war noch etwas anderes. Etwas in seinen Augen! Ein fremder, begehrlicher Ausdruck, den sie in den Augen ihres Vaters nie bemerkt hatte und der sie zugleich beunruhigte und erregte. Sie spürte, wie sie leicht zu zittern begann.
»Kann es sein, dass du neugierig bist, Mary?«
Sie war nicht imstande zu antworten.
Er beugte sich ein wenig zu ihrem Ohr hinunter und flüsterte: »Kann es sein, dass du wissen willst, wie es ist, eine Frau zu sein?«
Sie stockte, dann nickte sie zögernd.
Er lachte leise. »Das dachte ich mir. Willst du, dass ich es dir zeige?«
Sie stand regungslos.
Sein Atem kitzelte an ihrem rechten Ohr. Dann ging er plötzlich rasch zur Tür hinüber und schloss ab. »Wir wollen doch nicht wieder gestört werden, nicht wahr, Mary?«
Sie drehte sich nicht zu ihm um, schüttelte aber folgsam den Kopf. Nein, das wollte sie beileibe nicht!
Sie hörte seine Schritte auf dem blanken Holzparkett, als er zu ihr zurückkehrte und dann erschrak sie doch, als sie spürte, wie er von hinten den Rock ihres Kleides anhob. Seine kräftige Hand glitt an ihrem Bein hinauf und dann langsam an der Innenseite ihrer Schenkel entlang. Es fühlte sich seltsam an, erregend. Plötzlich wurde sie sich überaus deutlich des geheimen Ortes bewusst, der da in der Mitte ihres Schoßes unter weichgelocktem Flaum lag – darauf wartend, erforscht zu werden. Mr Ashworth schien dieser Ort ebenso gegenwärtig zu sein. Immer näher kam seine Hand der Stelle und dann berührte er sie leicht von vorne. Ein Seufzen entfuhr ihr, sie konnte es nicht verhindern.
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