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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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im Augenblick eben keine Alternative. Außerdem sah es nicht so aus, als ob Debby oder William dort je wieder fortwollten. Es widerte Mary an, wie ihre Geschwister sich jeden Tag mehr an Aaron und diese Cathy anschlossen, als wären sie ihre Eltern. Sie hatten eben keine Eltern mehr und sie, Mary, brauchte auch keine. Sie war alt genug, für sich selbst zu sorgen und das hatte sie auch Mr Ashworth gesagt, als er sie gestern mit in sein Büro genommen hatte. Der hatte daraufhin ganz merkwürdig gelacht und gemeint, das sähe er auch so. Sie sei kein Kind mehr, sie sei eine junge Frau und ob sie denn schon wüsste, was aus einem Mädchen eine Frau machen würde. Ihr war ganz heiß geworden, als er das fragte, denn sie ahnte, was er meinte. Ihre Eltern hatten, solange sie sich erinnern konnte, in einem Raum mit ihnen gelebt und da hatten die Kinder mitbekommen, was die Erwachsenen in der Nacht manchmal taten. Der Vater hatte sich auf die Mutter gelegt und dann hatten sich beide immer schneller bewegt unter der Decke und angefangen zu stöhnen, bis es schließlich plötzlich vorbei gewesen war. Und manchmal hatte sich später der Bauch der Mutter wieder gerundet und ein neues Geschwisterchen war geboren worden, von denen aber drei bald gestorben waren. Sie hatte sich schon gedacht, dass Mr Ashworth das meinte. Aber als er dann zu ihr herübergekommen war, ihre Brüste angefasst und dabei so komisch geatmet hatte, da war ihr doch ein wenig seltsam geworden. Dann aber hatte jemand geklopft, der Mr Ashworth sprechen wollte, und deshalb hatte er sich schnell wieder an seinen Schreibtisch gesetzt, den Besucher hereingebeten und sie fortgeschickt. Mit klopfendem Herzen war sie an ihre Arbeit zurückgekehrt und hatte die folgende Nacht kaum geschlafen. Und das lag nicht nur am Geschrei von Klein-Mary, die nach der Milch ihrer Mutter verlangte.
    Ob Mr Ashworth sie noch einmal zu sich rufen würde? Sollte sie dann hingehen? Natürlich würde sie das! Immerhin handelte es sich um Mr Ashworth und dem widersprach man nicht. Außerdem war sie neugierig. Was war es, das Mr Ashworth so offensichtlich von ihr wollte? Und vor allen Dingen, wie würde es sein? Aaron Stanton mit seinen dummen Ermahnungen konnte ihr gestohlen bleiben.
    ***
    Aaron hörte den Ruf erst, als Wheaton direkt hinter ihm stand. Er arbeitete schon den ganzen Morgen wie ein Verrückter, sodass Tom mehrfach den Kopf geschüttelt und gemeint hatte, er solle ein wenig langsamer machen, sonst müssten sie in Zukunft immer dieses Pensum erreichen. Doch er konnte nicht anders – nur nicht nachdenken!
    »Stanton, bist du taub?«, schrie Wheaton noch einmal.
    Aaron richtete sich auf und legte die Handforke zur Seite. »Nein! Was gibt's, Mr Wheaton?«
    »Ich komme eben von Mr Ashworth. Habe ihm gesagt, dass ich mich zur Ruhe setzen werde.« Wheaton wippte zufrieden mit den Füßen auf und ab, die Daumen hinter seinen breiten Ledergürtel gesteckt, der um den nicht eben kleinen Bauch geschnallt war. Jeder wusste, dass Wheaton ein gutes Bier mehr als zu schätzen wusste und als Leiter der Transportabteilung konnte er sich das auch leisten.
    »Und?«
    Wheaton lächelte breit. »Na, hab ihm dich als Nachfolger vorgeschlagen!«
    »Ja, und was hat er gesagt? Kann ich die Stelle haben?«, fragte Aaron ungeduldig. Er wagte kaum zu hoffen, dass ihm endlich das Glück hold war. Wheaton verdiente das Achtfache eines Arbeiters, glatte drei Pfund die Woche, eine ungeheure Summe! Damit würden sie es auf alle Fälle schaffen, konnten sogar in eine bessere und vor allem größere Wohnung umziehen.
    »Na ja, gesagt hat er es nicht direkt, aber er schien nicht abgeneigt!«
    »Gut!«
    »Du sollst dich nach der Schicht bei ihm melden!«
    »Nach der Schicht? Ja, sicher, das mache ich natürlich!«, sagte Aaron beflissen.
    »Ja, mach das! Wird schon hinhauen, Stanton! Wirst schon sehen!«, meinte Wheaton und ging dann wiegenden Schrittes und sehr mit sich zufrieden davon.
    ***
    Mary hatte ihn entdeckt, kaum dass er auf dem Treppenabsatz aufgetaucht war. Tatsächlich, er sah zu ihr hinüber. Mr Ashworth, der Besitzer der Ashworth Spinnerei, kam extra wegen ihr in die Fertigung hinüber. Eine Welle des Stolzes überspülte sie. Ja, jetzt winkte er. Offensichtlich wollte er, dass sie ihm folgte. Rasch legte sie den Hebel um, der die Maschine vom Transmissionsriemen entkoppelte und mit dem sie vor Kurzem Cathys Leben gerettet hatte. Ein schneller Blick zu Bole. Der hatte am anderen Ende des Saales

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