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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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bitte allein. Ich habe zu arbeiten.«
    Isobel kochte vor Wut. So ließ sie sich nicht behandeln, nicht von ihrem dummen Ehemann! Sie stürzte auf ihn zu, riss ihm den Brief unter den Händen weg und zerfetzte ihn in kleine Schnipsel. »Glaubst du, du kannst mich so abfertigen? Ich bin deine Frau, dein rechtmäßiges Eheweib! Du kannst mich nicht behandeln wie eine Dienstmagd!«
    »Isobel, bitte mäßige dich!« Havishams Stimme bekam einen gefährlich drohenden Unterton. Isobel witterte instinktiv ihre Chance. Wenn es ihr gelang, ihn noch weiter in Rage zu bringen, würde es ihn wahrscheinlich wieder überkommen und er würde sie noch auf dem Fußboden nehmen. Dann hatte sie ihn wieder in der Hand, das wusste sie genau!
    »Einen Teufel werde ich tun! Schlag mich doch, wenn du willst. Das kannst du ja so gut!«, zischte sie. Einen Augenblick sah es so aus, als würde sie mit ihrer Vermutung recht behalten. Sie erkannte dieses besondere Flackern in seinen Augen.
    Doch dann geschah etwas Seltsames, etwas, das sie nicht erklären konnte. Seine eben noch erregten Gesichtszüge entspannten sich wieder: »Nein, Isobel, ich werde dich nicht schlagen«, sagte er ruhig. »Nie mehr! Das ist vorbei. Es ist nicht recht, was wir da tun. Ich will es nicht mehr!«
    Sie lachte ungläubig. »Du willst nicht mehr? Was ist in dich gefahren, Horace? Glaubst du etwa, du kannst dich beherrschen? Lächerlich! Ich kenne dich! Ich kenne dich in- und auswendig, mein Gemahl. Du wirst es nicht ertragen können, darauf zu verzichten! Wahrscheinlich wirst du schon morgen wieder vor meiner Tür stehen.«
    »Nein, das werde ich nicht!«
    »Wollen wir wetten?«, sagte sie boshaft. »Du willst mich, ich weiß es. Jetzt gerade in diesem Augenblick! Du willst es mit mir tun, auf deine kranke, gierige Weise! Komm schon, Horace, tu dir keinen Zwang an!« Sie fixierte ihn mit laszivem Blick und befeuchtete demonstrativ mit der Zungenspitze ihre Lippen.
    Er sprang jäh auf und hieb mit der Faust auf die Schreibtischplatte. Die wohlgeordneten Utensilien darauf wackelten bedenklich. »Nein!«, schrie er. »Geh! Verschwinde, Weib! Lass mich in Ruhe!« Seine Stimme schwankte. Begann er etwa zu weinen?
    Ihr siegesbewusstes Lächeln vertiefte sich. Gleich hatte sie ihn so weit! »Komm schon, Horace. Tu es, tu es jetzt! Hier auf dem Boden!«
    Sie sah, wie er mit sich rang. Sein Atem ging heftig und stoßweise. Und dann, ganz plötzlich, war es vorbei. »Nein!«, sagte er noch einmal und mit Nachdruck. »Es ist wirklich besser, du gehst jetzt, Isobel! Ich sagte, ich habe zu tun.«
    Sie wusste im selben Augenblick, dass er ihrer Macht entglitten war. Kalte Wut stieg in ihr auf. Und Ratlosigkeit. Was brachte ihn dazu, ihr zu widerstehen? Sie war sich so sicher gewesen, ihn völlig in der Hand zu haben, so hilflos, wie er seinen Gelüsten gegenüber war. Isobel fühlte, dass sie gut daran tat, jetzt einzulenken – für dieses eine Mal. »Gut, ich lasse dich arbeiten, mein Gemahl.« Die letzten beiden Worte unterstrich sie bedeutsam. Er würde sie nicht so leicht loswerden. Eine Isobel de Burgh ließ sich nicht einfach vor die Tür setzen! »Wir werden reden, wenn du dich beruhigt hast.«
    Er sah sie an, wieder vollkommen Herr seiner selbst. »Es gibt nichts zu bereden, Isobel. Ich werde ein paar Tage fort sein. Ich brauche Ruhe und Zeit zum Nachdenken, wie ich es dir bereits gesagt habe. Danach werden wir weitersehen.«
    Isobel wurde erneut von einer Welle jähen Zorns überspült: »Ach«, ätzte sie, »nachdenken willst du also? Ich wüsste nicht, was es da zu bedenken gäbe. Ich bin deine Frau und ich werde es auch bleiben.«
    Er machte sich nicht einmal die Mühe, ihr zu antworten. Da ging sie hocherhobenen Hauptes aus dem Raum und warf die Tür lautstark hinter sich ins Schloss.
    ***
    Knapp zwei Stunden später verließ Havisham das Haus. Er hatte darum gebeten, dass ihm eine Droschke gerufen wurde. Pool hatte das zwar mit einigem Erstaunen zur Kenntnis genommen, da der Haushalt immerhin über drei Kutschen und vier Pferde samt Kutscher verfügte, aber natürlich hatte man dem Wunsch des Hausherrn kommentarlos entsprochen. Havisham war allerdings daran gelegen, dass man nicht so schnell in Erfahrung bringen konnte, wohin er zu fahren gedachte. Doch Isobel würde sicher nicht ruhen, bis sie es wusste. Es war ihm bewusst gewesen, dass es zu einer Auseinandersetzung mit ihr kommen würde, seit er im Morgengrauen sein Haus betreten hatte. Isobel, das war sonnenklar,

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