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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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wenn die Schmerzen ihn wieder übermannten. Schon zwei Mal hatte sie ihm geholfen, die Liegeposition zu verändern und dabei verschiedene weiche Kissen untergeschoben. Selbst war er wohl schon zu schwach dazu, vielleicht hatten aber auch schon die Lähmungen begonnen. Dabei war Isobel zu ihrem ausgesprochenen Bedauern seines welken Fleisches ansichtig geworden und die Wolke aus Urin- und Fäulnisgestank, die von ihm ausging, hatte ihr geradezu den Atem geraubt. Widerlich! Dennoch: dass es so schlimm um ihren Vater stand, erfüllte sie auch mit Bedauern.
    Da öffnete er, nachdem er einmal mehr kurz weggedämmert war, erneut die Augen. »Imogen?«, stieß er hervor.
    Isobel seufzte mit gelinder Ungeduld. »Nein, Vater, ich sagte es dir bereits: Ich bin deine Tochter, Isobel. Erkennst du mich denn nicht mehr?« Schon zuvor hatte sie ihn auf seinen Irrtum aufmerksam gemacht. Wie lästig! Sie begann sich zu fragen, ob ihr Besuch überhaupt Sinn ergab. Das Morphium schien seinen Verstand wohl zu stark in Mitleidenschaft zu ziehen. Oder vielleicht hatte ihm die Krankheit auch schon das Hirn zerfressen. Wer konnte das wissen?
    »Ach ja ... ?« Der Vater lächelte irritiert. »Es tut mir leid, mein Kind. Schön, dass du mich besuchst. Geht es dir gut?«
    »Das fragtest du bereits, Vater.«
    »Ja ... ja ...!« De Burghs Blick wanderte für einen Moment ziellos zur Zimmerdecke. Doch dann packte er sie plötzlich heftig am Arm. Seine Finger krallten sich um ihr Handgelenk. Sie fühlten sich unangenehm kalt an. »Kind, mein armes, armes Kind, ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht.«
    Isobel war versucht, ihm umgehend zu bestätigen, dass er in der Tat nicht nur einen Fehler gemacht hatte, schwieg aber, schon dieses Weibes wegen, das sie nach wie vor misstrauisch beobachtete.
    »Was habe ich nur getan?«, jammerte de Burgh. »Ich habe dich einem Mörder zur Frau gegeben. Dem Mörder deines Bruders! Oh, meine arme Isobel!«
    Isobel sprang jäh auf und entwand sich seinem Griff. »Was redest du da für einen Unsinn, Vater?«
    De Burgh strömten Tränen über die Wangen. »Was war ich für ein Narr! Verblendet! Warum habe ich es nicht erkannt? Warum habe ich nicht gemerkt, was dieser Teufel im Schilde führte? Oh Gott, ich werde in der Hölle schmoren dafür.«
    »Vater, ich sage dir, du verrennst dich da in eine fixe Idee. Vermutlich hat dieser Mr Armindale dir das eingeredet. Horace mag seine Fehler haben, aber ein Mörder ist er nicht. Bestimmt nicht! Das glaube ich zumindest«, fügte sie an, ein wenig unsicher geworden. Immerhin hatte auch sie der Gedanke schon einmal gestreift. Damals – es kam ihr vor wie in einem anderen Leben –, als sie in der Kapelle Whitefells Havisham angetraut wurde. »Vater, ich verbiete dir, so etwas zu behaupten. Das ist doch völlig absurd! Wie kannst du so etwas auch nur in Erwägung ziehen?«
    De Burgh reagierte jedoch kaum auf sie. Völlig eingenommen von seinen eigenen finsteren Gedanken starrte er vor sich hin und weinte leise, wie ein kleines Kind.
    »Vater! Vater?!« Sie riss unsanft an seiner Schulter, um ihn dazu zu bringen, ihr zuzuhören. Schmerzgepeinigt schrie er auf. Die Haushälterin war im nächsten Moment auf den Beinen, warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu und beeilte sich, ihrem Herrn Linderung zu verschaffen. Isobel stand daneben und wusste nicht, was sie tun sollte.
    »Madam, wenn Sie nicht helfen wollen, können Sie ebenso gut gehen. Ich glaube nicht, dass Ihr Besuch für Ihren Vater im Moment die Freude ist, die er sein sollte«, sagte die Haushälterin und bemühte sich nicht einmal, die Feindseligkeit in ihren Worten zu verbergen.
    Isobel reckte schnippisch das Kinn. »Das muss ich mir nicht sagen lassen! Von einer gewöhnlichen Bediensteten gleich zweimal nicht! Was erlauben Sie sich?«
    »Ich erlaube mir gar nichts, Madam. Ich sehe nur, dass es Mr de Burgh sehr schlecht geht und dass er sich aufregt. Das kann nicht gut für ihn sein. Ich möchte Sie doch sehr bitten, jetzt zu gehen, wenn Ihnen die Gesundheit und das Wohl Ihres Vaters so am Herzen liegt, wie Sie vorgeben.«
    Wutentbrannt starrte Isobel die Frau an. Wie konnte sie es wagen? »Falls Sie glauben, Sie könnten sich das Vertrauen meines Vaters erschleichen, dann haben Sie sich getäuscht, Sie impertinentes Weib! Bei ihm ist ohnehin nichts zu holen«, zischte sie böse.
    Da richtete die ältere Frau sich ruhig auf und sah ihr ins Gesicht. »Es wundert mich allerdings nicht, dass Sie so denken, Mrs

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