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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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sich wieder zu fassen.
    Bald würde alles wieder in Ordnung sein. Er würde Meredith sehen, mit ihr zusammen sein. Dann ... dann war alles gut. Ganz bestimmt! Sie war sein Schutz, seine Zuflucht.
    »Mr Havisham?« Der Lakai verbeugte sich leicht vor ihm und hielt ihm auf einem silbernen Tablett einen zusammengefalteten Brief hin. »Diese Nachricht wurde soeben für Sie abgegeben.«
    Horace schreckte auf und griff hastig danach. Die Nachricht war nicht von Baker. Er erhob sich ruckartig aus seinem hochlehnigen Ledersessel. Überall waren solche im Raum gruppiert und fast alle waren mit eifrig diskutierenden, rauchenden und trinkenden Männern besetzt. Dreißig waren es bestimmt. Die Gespräche in seiner Nähe verstummten überrascht.
    »Horace?« Green sah ihn fragend an.
    »Es tut mir leid, Green! Ich muss leider gehen. Mein Schwiegervater ist soeben verstorben.«
    ***
    Isobel wurde in der Kutsche durch das harte, unebene Straßenpflaster umhergeschüttelt und doch ging es ihr nicht schnell genug. Sie wusste selbstverständlich, dass es ungehörig war, das Totenbett ihres Vaters jetzt zu verlassen, schließlich erwartete man von ihr eine angemessene Trauer, aber zum Teufel, sie konnte es sich einfach nicht leisten mit Havisham zusammenzutreffen, bevor sie mit Armindale gesprochen hatte. In der prekären Situation, in der sie sich befand, konnte sie auf die erwartete Etikette einfach keine Rücksicht nehmen. Ihr Vater hatte vor einer knappen Stunde unter Qualen seinen letzten Atemzug getan. Gott sei Dank hatte er keinen klaren Moment mehr gehabt.
    Armindale war es jetzt, den sie unbedingt erreichen musste. Hoffentlich war der Kerl zu Hause und hurte nicht wieder herum. Sie hatte die Haushälterin ihres Vaters angewiesen, das Notwendige zu veranlassen und noch eine Nachricht für Havisham geschrieben. Ungeduldig trommelte sie an die Klappe, die die Kommunikation mit dem Kutscher ermöglichte, und wies ihn ungnädig an, die Pferde zu noch schnellerem Lauf anzutreiben. Der Mann tat daraufhin sein Bestes, aber die Straßen Londons waren eine verzwickte und viel zu überfüllte Herausforderung.
    Bereits gefährlich nahe am Ende ihrer Geduld erreichten sie schließlich die Hopkins Street. Der Kutscher kletterte hastig vom Bock und hielt ihr den Schlag auf. Isobel stieg hinaus in den kalten Regen. »Du wartest hier und rührst dich nicht vom Fleck, bis ich wieder herauskomme!«, fauchte sie ihn an. Dem Mann, der seit über einem Jahr in ihrem Londoner Haus seinen Dienst versah, kam es nicht einmal ansatzweise in den Sinn, seiner Herrin in deren gefährlicher Laune zu widersprechen. Das hätte er auch wagen sollen! Also nickte er pflichtschuldigst, obwohl es in Strömen goss und er bereits jetzt bis auf die Knochen durchnässt war. Isobel würdigte ihn keines weiteren Blickes, doch dann vor der Tür fiel ihr ein, dass die Vermieterin von Armindale ja so gut wie taub war. Ärgerlich winkte sie den Kutscher heran und wies ihn an, um das Haus herumzugehen und sich von der anderen Seite bemerkbar zu machen, während sie bereits heftig an die Eingangstür schlug.
    Da öffnete sich oben eines der Fenster und Armindale schaute heraus. »Mrs Havisham! Warten Sie, ich öffne Ihnen sofort.«
    »Wissen Sie, dass der Besuch bei Ihnen wahrlich eine Zumutung ist?«, zischte Isobel ungehalten, als Armindale persönlich ihr einen Augenblick später die Tür aufmachte. »Warum beschäftigen Sie nicht einen Diener, wie andere anständige Leute auch? Stattdessen muss ich mich mit diesem tauben Weib herumärgern.« Wütend schüttelte sie die Nässe von ihrem Cape, als sie hinter ihm die Treppe zu seinem Apartment hinaufstieg. Armindale drehte sich zu ihr um und grinste. »Gerade die Taubheit meiner Vermieterin hat für mich ungeahnte Vorteile. In meinem Geschäft haben selbst die Wände Ohren, das verstehen Sie doch sicher. Wie gut, wenn wenigstens die Ohren hinter diesen Wänden nicht mehr allzu viel hören. Aus diesem Grunde verzichte ich auch auf weiteres Personal. Ich selbst baue ja bei meinen Ermittlungen auf die Gesprächigkeit der unwichtigen Leute, die die höhergestellten Persönlichkeiten, mit denen ich gemeinhin befasst bin, umgeben.« Er schloss die Tür hinter ihr, als sie seine Wohnung betraten.
    Sein letzter Satz gemahnte Isobel an ihr ernstes Problem, dessentwegen sie den Mann so dringend aufgesucht hatte.
    »Mr Armindale, ich muss Ihnen etwas mitteilen ...«
    »Ist es Ihnen endlich gelungen, etwas aus Ihrem Gatten

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