Stadt der Sterne strava2
nun seine Ruhe. Können wir die Rachefeldzüge nicht vergessen und in Frieden um ihn trauern?«
»Du verstehst nicht«, erwiderte Niccolò. »Die Stravaganti stecken dahinter, zumindest Rodolfo tut es. Ich habe etwas gesehen… etwas Unnatürliches. Es ist Hexerei im Spiel und ich habe vor ihr auf den Grund zu gehen.«
Mr Goldsmith nahm einen kurzen Urlaub. Er hatte das Schild mit der Aufschrift GESCHLOSSEN an der Ladentür aufgehängt und machte nun noch einen Besuch bei Georgia. Maura war auch daheim und überrascht ihn vor der Tür stehen zu sehen. Doch dann machte sie Tee für alle und setzte sich dazu.
»Ich gehe ein paar Wochen fort«, sagte Mr Goldsmith. »Das wollte ich dir nur kurz mitteilen. Gestern hat mich mein Neffe angerufen und eingeladen mit ihm und seiner Familie in Norfolk Ferien zu machen.«
Georgia freute sich für ihn. Mr Goldsmith hatte bisher nie von seiner Familie erzählt und sie hatte schon befürchtet, dass er ziemlich einsam sei.
»Ich wollte nicht, dass du oder Nicholas zum Laden kommt und er ist plötzlich zu«, fuhr er fort. »Im Sommer fahre ich sonst nicht oft fort, aber diese Gelegenheit war zu verlockend, um sie sausen zu lassen.«
»Wohnt Ihr Neffe in Norfolk?«, fragte Maura. »Nein, er lebt in Cambridge«, berichtete Mr Goldsmith. »Da kommt meine Familie her. Meine Frau auch.«
»Ich wusste ja gar nicht, dass Sie verheiratet sind«, sagte Georgia.
»Ich habe sie schon vor Jahren verloren«, sagte Mr Goldsmith. »Noch bevor wir Kinder haben konnten. Aber ich habe drei Großneffen und freue mich schon darauf, mit ihnen segeln zu gehen.«
Nachdem er fort war, entschuldigte sich Maura bei Georgia. »Ich habe mich in Mr Goldsmith getäuscht«, sagte sie. »Ein netter alter Herr. Russell hat uns alle ganz durcheinander gebracht.«
Georgia umarmte sie. »Das ist doch jetzt nicht mehr wichtig.«
Enrico war oben im Palast von Santa Fina, um sein Geld abzuholen, als er dem Herzog begegnete. Niccolò di Chimici wanderte durch die Gemächer des großen Gebäudes, als suche er etwas.
»Euer Gnaden«, sagte Enrico zögernd.
Erschrocken fuhr der Herzog herum, dann beruhigte er sich.
»Ah, der Schnüffler«, sagte er. »Hier gibt es nichts mehr auszukundschaften –
hier ist nur ein leerer Palast und ein alter Mann.«
»Kann ich denn sonst etwas für Euer Gnaden tun?«, fragte Enrico. »Mein Beileid zum Tod des Prinzen.«
Herzog Niccolò überlegte einige Augenblicke. »Sage mir – wenn du dein Lieb
lingskind begraben müsstest, was würdest du ihm mit in den Sarg legen?«
Enrico hatte keine Kinder und auch keine Aussicht auf welche, nachdem Giuliana verschwunden war. Aber er hatte eine gesunde Vorstellungsgabe.
»Ein Erinnerungsstück aus der Kindheit, Euer Gnaden? Ein Lieblingsspielzeug?
Ein Zierstück oder ein Bild?«
»Ein Bild? Ja, du hast Recht.«
Der Herzog zog eine Miniatur aus dem Hemd. »Das habe ich mit mir getragen, seit meine Frau Benedetta gestorben ist. Sie soll im Grab über unser Kind wa
chen. All das ist nun für mich vorüber.«
Georgia war bei den Mulhollands, um sich zu verabschieden, ehe sie nach Frankreich fuhr.
»Glaubst du, dass du je nach Remora zurückkommst?«, fragte Falco.
»Das hoffe ich doch«, erwiderte Georgia mit tiefem Seufzen. »Es ist eine so tolle Stadt und Cesare und seine Familie fehlen mir.«
»Und doch glaube ich, dass der Mensch, der dir am meisten fehlt, nicht in dieser Stadt ist«, sagte Falco leise. Georgia erwiderte nichts. Es schien, dass sie ihre Gefühle in Talia schlechter hatte verbergen können als in ihrer Heimat. »Warst du überrascht, dass die Duchessa meinem Bruder einen Korb gegeben hat?«, fragte Falco beharrlich weiter. »Eigentlich nicht«, sagte Georgia. »Immerhin war er ein di Chimici, wenn auch ein sehr netter.«
»Und ich?«, fragte Falco. »Bin ich auch ein netter di Chimici?«
»Du bist überhaupt kein di Chimici mehr, hörst du?«, sagte Georgia. »Du bist jetzt Nicholas Herzog und eines Tages heißt du vielleicht Mulholland.«
»Aber findest du mich nett?«
»Was redest du da für ein Zeug?«, sagte Georgia. Was war eigentlich mit allen los? Seit sie die Stellata gewonnen hatte, schien es, als sei sie in beiden Welten unwiderstehlich anziehend geworden. »Natürlich finde ich dich nett«, fügte sie rasch hinzu, als sie Falcos niedergeschlagenen Blick sah. »Ich kann nicht genau erklären, was ich meine«, fuhr sie fort, denn sie erinnerte sich plötzlich an Luciens Worte. »Aber du wirst
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