Stadt der tausend Sonnen
der Junge. »Die Frau mit dem Mann, der so ein komisches Gesicht gehabt hat.«
»Hat die Frau schwarzes Haar?« fragte Jon. »Und der Mann – konnte man durch eine Gesichtshälfte in seinen Kopf sehen?«
»Stimmt«, erwiderte der kleine Neandertaler.
Jon wandte sich Alter zu. »Sie sind hier! Sie sind hier!«
»Bitte kommen Sie jetzt wieder mit«, forderte ihr Führer sie auf. »Sie müssen sich ausruhen, oder Sie brechen zusammen.«
In einem grünen, gemütlichen Zimmer ließ ihr Führer sie allein. Als sie aufwachten, war es bereits Abend, und das Laub, das unter dem Gewicht eines zwitschernden Vogels zitterte, leuchtete bronzen gegen das tiefe Purpur der untergehenden Sonne.
»Ich hätte nie geglaubt, daß es so etwas überhaupt geben könne. Mir ist, als befände ich mich auf einem anderen Planeten«, gestand Alter dem Waldwächter, der sie interviewte. Das Fenster stand offen, und ein warmer Wind blies über den See.
»Oh, wir sind durchaus auf der Erde«, versicherte ihr der Wächter. »Wenn das Chaos zu groß wird, gibt es immer ein paar Menschen, die am gleichen Strang ziehen. Wenn man ihr auch nur eine kleine Chance gibt, dann verbreitet die Drohung sich genauso schnell wie das Chaos.«
»Wie finden die Menschen hierher?« fragte Jon.
»Wir haben unsere Leute, darunter auch einige Telepathen, über ganz Toromon verteilt, die anderen, die sie dafür für geeignet halten, davon erzählen. Wir brauchten allerdings noch mehr Fachkräfte, aber langsam kommen auch sie.«
»Was ist mit meiner Schwester und Catham? Wir müssen so schnell wie möglich mit ihnen sprechen. Wir sind im Auftrag der Herzogin Petra und König Lets unterwegs.«
»Wir wissen, daß sie hier sind«, warf Alter ein. »Wir erfuhren es von einem kleinen Jungen.«
»Sie sind nicht mehr hier«, erwiderte der Wächter. »Sie waren nur wenige Tage in der Stadt, und während dieser Zeit hielt Clea Vorlesungen über höhere Mathematik und gab auch einige Unterrichtsstunden. Der Junge war vermutlich einer der Schüler, die daran teilnahmen. Rolth gab uns sehr wertvolle Ratschläge, wie wir unsere wirtschaftliche Lage verbessern und einige Probleme lösen können, die sich bereits ergeben hatten. Aber die beiden blieben nur lange genug, um sich hier trauen zu lassen, dann brachen sie wieder auf.«
»Und wohin sind sie?«
Der Wächter schüttelte bedauernd den Kopf. »Sie sagten nur, sie hofften, bald zurückkehren zu können. Aber sie waren nicht sicher.«
»Jon, sag es ihm. Erzähl ihm vom Feind …«
»Der Computer in Telphar?« fragte der Wächter. »Wir wissen, daß er durchgedreht hat. Vielleicht sind sie dorthin.«
»Das ist auch unser Ziel«, murmelte Jon, »falls wir sie nicht finden.«
»Weshalb bleiben Sie nicht hier?«
»Wir müssen erst zu Ende führen, wozu wir uns bereiterklärt haben.«
Nach kurzem Schweigen sagte der Wärter. »Wußten Sie schon, daß der König, die Herzogin Petra, die meisten der Ratsmitglieder, wie auch andere Angehörige der königlichen Familie den Tod gefunden haben?«
Erstarrt blickten sie den Wächter an.
»Toron wurde erneut bombardiert. Sehr schwer, diesmal. Dieser Königspalast erhielt einen Volltreffer. Die Bevölkerung Torons ist auf ein Drittel dezimiert. Wir erfuhren es am späten Vormittag, während Sie schliefen.«
Sie standen am Seeufer und blickten auf die Bergschroffen. Mit der untergehenden Sonne erlosch das goldene Glitzern auf dem gekräuselten Wasser. Der hohe Kran warf seinen Schatten auf den Sand.
»Woran denkst du?« fragte Alter.
»Ich denke über uns, über dich und mich, nach. Sonst ist nichts mehr geblieben.«
»Ich habe Angst«, flüsterte sie.
Der See lag nun im Dunkeln. »Alter?« fragte er. »Der Junge, der dir die Muschelkette geschenkt hat und später im Krieg fiel – hast du ihn geliebt?«
Sie blickte Jon erstaunt an. »Ich mochte ihn sehr. Wir waren gute Freunde. Du hast mich das schon einmal gefragt. Weshalb willst du es nochmal hören?«
Schweigend folgte er dem Labyrinth seiner Gedanken. Schließlich sagte er: »Weil ich dich heiraten möchte. Du bist mein bester Freund. Ich weiß, daß du mich magst. Wirst du mich auch lieben können?«
Aus dem wechselnden Klang ihrer Stimme hörte er ihre Überlegung und dann die feste Antwort. »Ja«, und dann sanfter, »ja!«
Er zog sie an sich. »Wir heiraten und bleiben hier. Alter? Wenn doch nichts anderes mehr geblieben ist – dann ist das doch nicht unrecht, oder?«
»Es ist genau das, was
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