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Stadt der tausend Sonnen

Stadt der tausend Sonnen

Titel: Stadt der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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schon verschwunden.
    Noch einmal blickten sie auf die Stadt der tausend Sonnen zurück. »Ich hoffe, wir können wiederkehren«, flüsterte Alter.
     
    Am frühen Nachmittag sahen sie vom oberen Rand der Klamm Gestalten in zerfetzten Lumpen sich am Bach dahinschleppen. »Weitere Gefangene«, murmelte Jon.
    »Ich dachte zuerst an Dissis«, gestand Alter. »Aber sie sehen eher so aus, als wären sie den Dissis in die Hände gelaufen …« Sie hielt erschrocken inne. »Jon – es sind Frauen!«
    Er nickte. »In acht Schächten arbeiteten Frauen.«
    Als die Gruppe unmittelbar unter ihnen war, drangen Wortfetzen bis zu ihnen hoch. Die Führerin wischte sich mit schmutziger Hand über den kahlgeschorenen Kopf. »Komm, Kleines. So finden wir Koshar nie.« Sie half einer jungen Frau auf die Füße.
    »Wir sollten hinuntergehen«, wisperte Alter, »und ihnen den Weg zur Stadt zeigen.«
    Jon hielt sie zurück. »Der Bach, dem sie folgen, führt zum See. Sie können die Stadt gar nicht verfehlen.«
     
    Je näher sie dem Rand des Lavagebiets kamen, desto geringer wurde der Baumbewuchs. Einmal ließ ein rumpelndes Dröhnen hinter den Bäumen sie zusammenfahren. Sie suchten eilig Deckung hinter einem leicht erhöhten Dickicht. Ein Panzer zermalmte das Buschwerk ganz in ihrer Nähe und rollte weiter. »Hier ist offenbar die letzte Zuflucht vor dem ›Feind‹.«
    »Sie benutzen jetzt die Panzer, die sie für den ›Krieg‹ gehortet hatten, als Fluchtmittel«, sagte Jon.
    »Auf welche Weise, glaubst du, Jon, jagt der Computer sie in die Flucht?«
    Ein zweiter Panzer polterte hinter dem ersten her.
    »Wie immer auch«, brummte Jon, »es sieht nicht so aus, als hätten wir eine große Chance.«
    Das einzige weitere, das sie anhalten ließ, war die Gruppe der Wächter, an der sie eine Stunde später vorüberkamen. Sowohl die Männer als auch Frauen, die auf einer Lichtung saßen, trugen das dreifache Brandzeichen der Telepathen. Ein Sonnenstrahl glitzerte auf einem schwarzen Pelzcape. Ein Wächter spielte abwesend mit einem Kupferarmreif. Jon nahm seinen Weg mitten durch sie hindurch und wußte, daß sie all seine Gedanken aufnahmen. Doch keiner von ihnen blickte auch nur hoch.
    »Hast du an Arkor gedacht?« fragte Alter ihn, als sie schon Minuten entfernt waren.
    »Mhm.«
    »Vielleicht wissen sie, ob er noch lebt, und wenn ja, wo er ist.«
    »Das werden wir sie auf dem Rückweg fragen.«
    Am abendlichen Horizont sahen sie ein Glühen, das bleicher als ein Sonnenuntergang und tödlicher als die See war. Sie kamen an leblosen, fast versteinerten Baumskeletten vorbei. Und nun hob sich in der Ferne gegen das Glühen die Silhouette einer Stadt ab, als wäre sie aus Kohlepapier geschnitten – nein, gerissen. Turm um Turm stieß in das matte Glühen. Ein Netzwerk von Straßen verband die Türme. Auch die dünne Linie des Transitbands aus der Stadt sahen sie einen Kilometer entfernt rechts von sich, ehe es sich in dem Dschungel hinter ihnen verlor.
    »Telphar«, murmelte Jon. »Es ist mir auf schaurige Weise vertraut!«
    »Es sieht auch ziemlich gespenstisch aus«, flüsterte Alter.
    Sie marschierten weiter. Eine Straße führte aus der Wüste zur Stadt empor. Sie betraten sie. »Es ist, als käme man an einen Ort, von dem man nur geträumt hat – als kehre man in eine psychotische Phanta …« Er hielt abrupt inne, als er sich erinnerte. Vor ihnen wirkten die Türen schwarz gegen den tiefblauen Hintergrund.
    »Glaubst du, daß noch Militär hier ist?« fragte Alter.
    »Das werden wir bald herausfinden. Ich frage mich immer noch, wie der Computer sich verteidigt. Offenbar hat er eine Menge ferngesteuerter Geräte unter seiner Kontrolle, aber inwieweit das uns betrifft …«
    Vor ihnen war in den Schatten ein Poltern zu hören, das verstummte und dann plötzlich zum rumpelnden Dröhnen wurde. Ein Panzer, ähnlich denen, die sich in den Dschungel zurückgezogen hatten, nur um ein Vielfaches größer und mit einer Antenne auf dem Turm, kam auf sie zu.
    »Über den Straßenrand!« zischte Jon. »Du links, ich rechts.«
    Der Panzer rollte aus dem Schatten. In weißen Lettern stand auf seiner Karosserie: DU BIST GEFANGEN IN DEM KLAREN AUGENBLICK, DER DIR DIE AUSWEGLOSIGKEIT ZEIGTE.
    Als sie sich trennten, hielt der Panzer an. Die Antenne schwang abwechselnd nach rechts und links. Die Luke öffnete sich und eine seltsam vertraute Stimme rief: »Jon! Alter!«
    Jon drehte sich um. Er sah, daß seine Frau auf der gegenüberliegenden Straßenseite

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