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Stadt der tausend Sonnen

Stadt der tausend Sonnen

Titel: Stadt der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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einer zwanzig Zentimeter dicken Matratze, darunter noch Hydrosprungfedern, und das alles in einem freundlichen, hellgrün getünchten Zimmer, wo einen kein Lärm stört und nur die Morgensonne durch ein Fenster dringt …«
    »Das genügt«, brummte Jon. Es gibt einen Punkt der Erschöpfung, wo selbst ein so freundlich gemeinter Scherz physische Schmerzen verursachen kann.
    »Ich meine es ernst«, versicherte ihnen der Fremde. »Kommen Sie mit, wenn Sie sich ausruhen möchten.« Er schob die Zweige wieder zur Seite und machte sich auf den Weg durch das Unterholz.
    Sie folgten ihm, weniger, um ihn zu begleiten, sondern um eine Unterhaltung zu ermöglichen. »Wohin sollen wir denn mit Ihnen gehen?«
    »Haben Sie sich die Münze denn nicht angesehen?«
    Sie kletterten über Unebenheiten und schlüpften immer wieder durch herabhängende Zweige hindurch. Der Morgendunst lag noch dicht über dem Boden, doch als sie schließlich aus einem nassen Dickicht herauskamen, fiel heller Sonnenschein auf sie herab. Sie standen auf einer Kuppe, die einen weiten Ausblick bot. Eingerahmt von Bergen glitzerte ein See im neuen Morgen. Am Ufer dieses Sees erstand eine – Stadt! Der Künstler, der das Bild entworfen hatte, hatte sie ein wenig idealisiert dargestellt. Aus der Münze hatte Jon nicht schließen können, ob die Häuser aus Holz oder Metall waren. Die meisten waren aus Holz. Und viele mehr gab es, als die Münze zeigte. »Was ist das für eine Stadt?« fragte Alter staunend, während sie hinunterstiegen.
    »Wie es auf der Münze steht: Stadt der tausend Sonnen. Sie steht noch nicht lange, und man wird auch noch lange an ihr weiterbauen.«
    »Wer errichtet sie denn?« fragte Jon.
    »Dissis.«
    Jon sah, wie Alter zusammenzuckte.
    »Dissis«, wiederholte ihr Führer. »Dissidenten. Nur sind diese hier weder mit jenen einverstanden, die man in Toromon als Dissis bezeichnet, noch mit dem Rest dieser chaotischen Welt.« Sie hatten den Fuß des Berges erreicht und stapften nun durch hohes Gras. »Deshalb haben sie sich einen friedlichen Ort gesucht und ihn auch vor Jahren schon hier gefunden. Und nun bauen sie ihre Stadt am See.«
    »Aber weshalb nennen sie sie ›Stadt der tausend Sonnen‹?«
    Ihr Führer zuckte die Schultern. »Wenn man die Materietransmitter, Tetronenergie, hydroponischen Anlagen und Aquarien in Betracht zieht, hat Toromon ein ausreichendes Potential an Nahrungsmitteln, Unterkunft und Arbeit für die gesamte Bevölkerung – und auch genügend, um die Sterne zu erreichen. Also haben ein paar – wirklich nur ein paar – begonnen, einen Weg zu den Sternen zu suchen. Jeder, der interessiert daran ist, kann dabei mithelfen. Wir stehen im Anfangsstadium, und es fehlt vielleicht noch an Bequemlichkeiten, aber ein gemütliches Plätzchen für Sie zum Ausruhen finden wir schon. Ja, die tausend Sonnen sind die Sterne, die wir eines Tages erreichen werden.«
    »Was ist mit uns? Weshalb haben Sie sich uns gezeigt und mitgenommen?«
    »Wenn Sie den geraden Weg, den Sie eingeschlagen hatten, weiterverfolgt hätten, hätten Sie uns um etwa vierhundert Meter verfehlt. Wären Sie jedoch direkt zu uns gekommen, hätte ich Sie nicht hierherlotsen müssen. Wir können ja schließlich nicht alles dem Zufall überlassen.«
    Sie hatten nun bereits die staubigen Straßen der Stadt erreicht. Keiner der Eindrücke war im ersten Augenblick sehr klar. Eine Frau mit Schutzbrille schweißte eine Pumpe an der Straßenecke. Als sie vorbeikamen, schob sie die Brille zurück und lächelte ihnen zu. Ein Mann am Fuß eines Nachrichtenturms brüllte Anweisungen zu dem Mann an der Antenne hoch. Beide winkten grüßend.
    In einer Richtung sah Jon durch die weit auseinanderstehenden Häuser Felder, auf denen Menschen arbeiteten. In einer anderen war der See; und zwei Männer, ein Neandertaler und ein Waldwächter, die sich dunkel gegen die Sonne abhoben, zogen ein glitzerndes Netz aus dem Wasser.
    Ordnung, dachte Jon, aber er sah sie nicht als ein Wort, sondern wie man vielleicht das Versmaß eines tiefgründigen, ansprechenden Gedichtes aufnehmen mochte. Alter griff nach seiner Hand. Als er sie anschaute, ihre großen staunenden Augen bemerkte, wußte er, daß sie es ebenso empfand.
    Auf der anderen Straßenseite hielt ein Wagen vor einem größeren Gebäude an. Ein Waldwächter, zwei Männer und eine Frau hatten ihn geschoben. Als sie stehenblieben, wischten sie sich den Schweiß von der Stirn, und einer der Männer trat an den offenen Wandbrunnen

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