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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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würden von den steigenden Wellen überspült. Unser Luftdruck und der elektrische Strom wur−den schwächer, und wir wünschten jeden unnötigen Gebrauch unserer mageren mechanischen Hilfsmittel zu vermeiden, aber in diesem Fall blieb uns keine Wahl. Wir gingen nicht tief herunter und als die See sich nach einigen Stunden etwas beruhigte, entschlossen wir uns, zur Oberfläche zurückzukehren. Hier entstanden indessen neue Schwierigkeiten, denn das Schiff reagierte auf unsere Führung nicht, trotz allem, was die Mechaniker versuchten. Als die Leute wegen dieser Unterwassergefangenschaft Angstzustände bekamen, begannen einige von ihnen von Leutnant Klenzes Elfenbeinfigürchen zu murmeln, aber der Anblick der automatischen Pistole brachte sie zum Schweigen. Wir hielten die armen Teufel auf Trab, so gut wir konnten, und ließen sie an der Maschinerie herumbasteln, obwohl wir wußten, daß es nutzlos war.
    Klenze und ich schliefen für gewöhnlich zu verschiedenen Zeiten, und es passierte während meines Schlafes, ungefähr um 5 Uhr früh am 4. Juli, daß die allgemeine Meuterei losbrach. Die sechs verbliebenen Schweine von Seeleuten, argwöhnend, daß wir verloren seien, waren plötzlich wegen unserer Weigerung, uns dem Yankeeschlachtschiff von vor zwei Tagen zu ergeben, in Raserei ausgebrochen und befanden sich in einem Delirium der Verwünschung und Zerstörung. Sie brüllten wie die Tiere, die sie waren, und zerbrachen unterschiedslos Instrumente und Möbel und kreischten von solchem Unsinn wie dem Fluch des Elfenbeinbildes und dem toten dunkelhaarigen Jüngling, der sie angeschaut hatte und fortgeschwommen war. Leutnant Klenze schien wie gelähmt und unfähig, wie man es von einem weichlichen, weibischen Rheinländer erwartet. Ich erschoß alle sechs Mann, da es nötig war, und vergewisserte mich, daß keiner am Leben blieb.
    Wir schoben die Leichen durch die Doppelluken hinaus und waren im U−29
    allein; Klenze schien sehr nervös und trank übermäßig. Es war beschlossen, daß wir so lange als möglich am Leben bleiben wollten, indem wir uns des großen Lebensmittelvorrats und der chemischen Sauerstoffversorgung bedienten, von denen nichts unter den verrückten Streichen dieser Schweinehunde von Seeleuten gelitten hatte. Unsere Kompasse, Tiefenmesser und andere empfindliche Instrumente waren zerstört, so daß unsere Berechnungen von da an reine Mutmaßungen, gestützt auf unsere Uhren waren. Das Datum und unser 87
    offensichtliches Dahintreiben wurden nach Gegenständen beurteilt, die wir durch unsere Seitenfenster und vom Kommandoturm aus erspähen konnten.
    Glücklicherweise besaßen wir Sammlerbatterien, die noch lang gebrauchsfähig sein würden, sowohl für die Innenbeleuchtung als auch für den Scheinwerfer.
    Wir ließen häufig den Strahl um das Schiff kreisen, aber wir sahen lediglich Delphine, die parallel zu unserem Treibkurs schwammen. Ich war an diesen Delphinen wissenschaftlich interessiert, denn obwohl der gewöhnliche Delphinus delphis ein walartiges Säugetier ist, das nicht ohne Luft leben kann, beobachtete ich einen der Schwimmer für zwei Stunden genau, sah ihn aber seine Stellung unter Wasser nicht ändern.
    Während die Zeit verstrich, stellten Klenze und ich fest, daß wir noch immer nach Süden trieben und dabei tiefer und tiefer sanken. Wir beobachteten die Meeresfauna und −flora, und ich las darüber viel in den Büchern, die ich für meine Freizeit mitgebracht hatte. Ich konnte indessen nicht umhin, die geringen wissenschaftlichen Kenntnisse meines Begleiters wahrzunehmen. Er hatte keine preußische Geisteshaltung, sondern gab sich nutzlosen Einbildungen und Spekulationen hin. Die Tatsache unseres nahenden Todes beeinflußte ihn in seltsamer Weise, er pflegte häufig in Reue für die Männer, Frauen und Kinder zu beten, die wir auf den Grund des Meeres geschickt hatten, wobei er vergaß, daß alles edel ist, was dem Deutschen Reich dient. Mit der Zeit geriet er merklich aus dem Gleichgewicht, starrte für Stunden seine Elfenbeinschnitzerei an und begann phantastische Garne von vergessenen Dingen auf dem Grund des Meeres zu spinnen. Manchmal pflegte ich ihn in einem psychologischen Experiment in seinen irren Reden vorwärts zu locken und seinen endlosen Zitaten und Geschichten von versunkenen Schiffen zu lauschen. Er tat mir sehr leid, denn ich habe es nicht gern, einen Deutschen leiden zu sehen, aber er war nicht der richtige Mann, um mit ihm gemeinsam zu sterben. Ich war auf mich

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