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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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verteilt. In der Mitte gähnt eine große offene Tür, zu der eine eindrucksvolle Treppenflucht führt, eingefaßt von exquisiten Bildhauerarbeiten, die die Gestalten eines Bacchanals im Relief zeigten. Zuvorderst sind die großen Säulen und Friese, beide mit Skulpturen von unvorstellbarer Schönheit geschmückt, die offenbar idealisierte ländliche Szenen und Prozessionen von Priestern und Priesterinnen darstellen, die seltsame Zeremonialgegenstände für die Verehrung eines strahlenden Gottes tragen. Die Kunst ist von phänomenaler Vollkommenheit, in der Grundidee größtenteils hellenistisch, doch merkwürdig individuell. Sie vermittelt den Eindruck außerordentlichen Alters, als sei sie eher der entfernteste, als der unmittelbare Vorfahre der griechischen Kunst. Auch gibt es für mich keinen Zweifel, daß dieses massive Werk aus dem unberührten Hügelfelsen unseres Planeten geschaffen wurde. Es ist sichtbarlich ein Teil der Talwand, ich kann mir jedoch kaum vorstellen, wie der riesige Innenraum je ausgehöhlt werden konnte. Vielleicht bildete eine Höhle oder eine Reihe von Höhlen den Kern.
    Weder Alter noch Überflutung haben die uralte Größe dieser Ehrfurcht einflößenden heiligen Stätte − denn eine heilige Stätte muß es in der Tat sein −
    annagen können, und heute, nach Tausenden von Jahren, ruht sie, ungetrübt und unversehrt, in der endlosen Nacht und dem Schweigen der Meeresabgründe. Ich kann die Anzahl der Stunden nicht mehr zählen, die ich damit verbrachte, die versunkene Stadt mit ihren Gebäuden, Arkaden, Statuen, Brücken und dem Kolossaltempel mit seine;
    Schönheit und seinem Geheimnis zu betrachten. Obschon ich wußte, daß ich dem Tode nahe war, verzehrte mich die Neugier, und ich ließ den Scheinwerferstrahl in eifriger Suche kreisen. Der Lichtstrahl gestattete mir, viele Einzelheiten zu erkennen, aber es gelang ihm nicht, etwas innerhalb der Türöffnung des aus dem Felsen gehauenen Tempels erkennen zu lassen; weshalb ich nach einiger Zeit den Strom abschaltete, da mir bewußt war, daß es nötig sei, Energie zu sparen. Die Strahlen waren jetzt merklich schwächer, als sie es während der Wochen des Dahintreibens gewesen waren. Als ob geschärft durch den bevorstehenden Verlust des Lichtes, wurde mein Wunsch, die Geheimnisse des Wassers zu ergründen, größer. Ich, ein Deutscher, würde der erste sein, diese seit Äonen vergessenen Wege zu betreten! Ich holte einen aus Metall zusammengefügten Taucheranzug hervor prüfte ihn und probierte das tragbare Licht und den Lufttank aus. Obwohl ich Mühe haben würde, die Doppelluken allein zu bedienen, glaubte ich, dieses Hindernis mit meinem wissenschaftlichen Geschick überwinden und dann wirklich in der toten Stadt umhergehen zu können. Am 16. August gelang mir der Ausstieg aus U−29, und ich bahnte mir mühselig einen Weg durch die verfallenen, schlammverstopften Straßen zum früheren Fluß. Ich fand keine Skelette oder andere menschliche Überreste, aber ich sammelte Schätze an archäologischen Erkenntnissen aus den antiken Skulpturen und Münzen, über all dies kann ich jetzt nicht sprechen, 91
    außer daß ich Ehrfurcht gegenüber einer Kultur äußere, die am Zenit ihres Ruhmes stand, als noch Höhlenbewohner Europa durchstreiften und der Nil unbeachtet ins Meer floß. Andere, denen dieses Manuskript als Führer dienen mag, sollte es je gefunden werden, müssen Geheimnisse entschleiern, die ich nur andeuten kann. Ich kehrte zum Boot zurück, als meine Batterie schwächer wurde, entschlossen, den Felsentempel am darauffolgenden Tag zu erkunden.
    Am 17. August, als mein Wunsch, die Geheimnisse des Tempels zu erforschen, noch stärker zugenommen hatte, überkam mich eine große Enttäuschung, als ich herausfand, daß das Material, das nötig war, um die tragbare Lampe wieder aufzufüllen, in der Meuterei dieser Schweine im Juli kaputtgegangen war. Ich hatte eine maßlose Wut, dennoch hinderte mich meine Vernunft, unvorbereitet in das stockfinstere Innere vorzudringen, das sich als Höhle eines unbeschreiblichen Seeungeheuers, oder als ein Labyrinth von Gängen erweisen könnte, aus denen es für mich kein Entrinnen geben würde. Alles, was ich tun konnte, war, den schwach gewordenen Scheinwerfer einzuschalten und mit seiner Hilfe die Tempelstufen zu erklimmen und die Bildhauerarbeiten der Außenseite zu studieren. Der Lichtstrahl drang in einem Aufwärtswinkel durch die Tür, und ich spähte hinein, um etwas erkennen zu können,

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