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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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unbestimmbaren und überraschenden Angstgefühlen. Es war völlig unbegreiflich, auch wenn schreckliche und ungewöhnliche Dinge nichts besonderes waren, nach solch überwältigenden Vorfällen einen Schauplatz anzutreffen, der einem nicht den geringsten Hinweis gab; und wir gingen unter dem bleigrauen, sich verdunkelnden Himmel mit jenem tragisch−ziellosen Eifer hin und her, der aus einem Gefühl der Zwecklosigkeit, gepaart mit dem Zwang zum Handeln resultiert. Wir arbeiteten mit minuziöser Sorgfalt, jede Hütte wurde noch einmal betreten, jede Höhlenwohnung in den Hügeln erneut nach Leichen abgesucht, jeder dornenbewachsene Fuß der angrenzenden Hänge auf Verstecke und Höhlen hin durchforscht, aber alles ohne Erfolg. Und dennoch schwebten, wie ich schon sagte, unbestimmbare neue Befürchtungen drohend über uns, als ob riesige Greife mit Fledermausflügeln aus überweltlichen Tiefen blickten.
    Im Laufe des Nachmittags wurde es zunehmend schwieriger, etwas zu erkennen, und wir hörten das Grollen eines Gewitters, das sich über dem Tempest Mountain zusammenbraute. An diesem Ort beunruhigte uns dieser Ton natürlich, wenn auch nicht so stark, wie es bei Nacht der Fall gewesen wäre. Wie die Dinge lagen, hofften wir verzweifelt, daß das Gewitter bis nach Einbruch der Dunkelheit warten würde, und in dieser Hoffnung wandten wir uns von unserem ziellosen Absuchen der Hügel dem nächsten bewohnten Weiler zu, um eine Schar Siedler zu sammeln, die uns bei der Untersuchung helfen sollten.
    Wir hatten indessen kaum kehrtgemacht, als die Sicht benehmende sturzflutartige Regenmassen herniederstürzten, daß es unbedingt nötig wurde, Deckung zu suchen. Die ungewöhnliche, beinah nächtliche Dunkelheit des Himmels ließ uns gräßlich straucheln, aber geleitet von den häufigen Blitzen und unserer genauen Kenntnis des Weilers, erreichten wir bald die wasserdichteste Hütte, eine bunte Zusammenstellung unbehauener Stämme und Bretter, deren noch vorhandene Tür und einziges, winziges Fenster nach Maple Hill hinausgingen. Nachdem wir die Tür hinter uns geschlossen hatten, um das Toben des Windes und des Regens auszusperren, schlössen wir den primitiven Fensterladen, von dem wir durch unsere häufigen Durchsuchungen wußten, wo wir ihn finden würden. Es war trostlos, auf wackligen Kisten in der pechschwarzen Finsternis zu sitzen, aber wir rauchten Pfeife und ließen gelegentlich den Strahl unserer Taschenlampe kreisen. Ab und zu konnten wir durch Risse in den Wänden die Blitze sehen, der Nachmittag war so unglaublich finster, daß jeder Blitz außerordentlich hell erschien.
    Die stürmische Wache erinnerte mich mit Schaudern an die gräßliche Nacht auf dem Tempest Mountain. Mein Geist wandte sich der merkwürdigen Frage zu, die mir immer wieder durch den Kopf gegangen war, seitdem die furchtbare Sache passierte, und ich fragte mich wiederum, warum der Unhold, der sich den drei Wachhabenden entweder vom Fenster oder aus dem Inneren genähert hatte, den Anfang mit den Männern auf beiden Seiten gemacht hatte und den mittleren bis zuletzt übrigließ, als der ungeheuere Feuerball ihn verscheuchte.
    Warum hatte er seine Opfer nicht in der natürlichen Reihenfolge genommen, mich als zweiten, von welcher Richtung er auch gekommen sein mochte? Mit 111
    welcher Art weitreichender Fangarme ging er auf Raub aus? Oder hatte er gewußt, daß ich der Anführer sei, und hatte mich für ein Schicksal aufgespart, das schlimmer war als das meiner Begleiter?
    Mitten in diese Erwägungen hinein, wie um sie dramatisch zu unterstreichen, schlug in der Nähe ein furchtbarer Blitz ein, gefolgt vom Geräusch eines Erdrutsches. Gleichzeitig erhob sich der raubgierige Wind zu einem teuflischen, heulenden Crescendo. Wir waren sicher, daß der einzige Baum auf dem Maple Hill wieder getroffen worden war und Munroe erhob sich von seiner Kiste und ging zu dem winzigen Fenster, um sich den Schaden anzusehen. Als er den Laden losmachte, drangen Wind und Regen mit ohrenbetäubendem Heulen herein, so daß ich nicht hören konnte, was er sagte, ich wartete indessen, während er sich hinausbeugte und den Aufruhr der Natur zu ergründen versuchte. Allmählich verriet ein Nachlassen des Windes und die Auflockerung der ungewöhnlichen Finsternis, daß das Gewitter am Abziehen sei. Ich hatte gehofft, es würde bis in die Nacht hinein dauern, um unsere Suche zu unterstützen. Aber ein verstohlener Sonnenstrahl, der durch ein Astloch hinter mir hereindrang,

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