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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
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»Nicht nur was den Ursprung der Menschheit angeht, sondern auch was das Universum an sich betrifft. Hast du dich schon mal gefragt, warum ich überhaupt auf den Mars wollte?«
    »Um dort deine Flagge zu hissen und um der Erste zu sein, der auf den Roten Planeten pinkelt.«
    »Vergleichende Planetenkunde, sagen die Wissenschaftler dazu.« Da Yeats nun meinte, abschätzen zu können, dass Conrad nicht abdrückte, wurde er sich seiner Sache wieder sicherer. »Die wollen die Geschichte des Sonnensystems und die Entwicklung der Planeten erforschen, indem sie Beweismaterial von Erde, Mond und Mars vergleichen. Wenn wir andere Welten entdecken, entdecken wir in Wahrheit uns selbst und erfahren dadurch genauer, wo wir einzuordnen sind.«
    Conrad sagte nichts dazu, beobachtete aber fasziniert, wie Yeats' müdes Gesicht sich mit fast spirituellem innerem Licht erhellte.
    »Jahrhundertelang wurden wir von den Gedanken des griechischen Astronomen Ptolemäus geleitet, der uns lehrte, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei«, fuhr Yeats fort. »Dann belehrte uns Galileo Galilei eines Besseren, und wir erfuhren, dass die Sonne der Mittelpunkt ist, um den wir und andere Planeten kreisen. Aber innerlich hängen wir noch der ptolemäischen Sichtweise nach. Warum auch nicht? Solange wir auf der Erde bleiben, sind wir de facto das Zentrum des Geschehens. Man muss nicht mal auf den Mond gehen, um die Erde aus der Ferne zu betrachten. Das All hat nichts mit den technischen Errungenschaften zu tun, sondern mit dem menschlichen Geist und unserem Beitrag zum universellen Ziel. Das All ist eine Metapher für Expansion, offene Möglichkeiten und Freiheit.«
    Conrad richtete seine Waffe erneut auf Yeats' Brust. »Ich muss wohl das Pfadfindertreffen verpasst haben, bei dem du diese blödsinnige Rede das erste Mal gehalten hast.«
    Yeats sah ihn keineswegs entmutigt an. »Du brennst genau wie ich darauf zu erfahren, wie das alles endet.«
    Eine Stimme meldete sich hinter Yeats. »Es endet genau hier, General.«
    Yeats wirbelte herum und sah Serena, die das Zepter des Osiris in der Hand hielt. Yeats wurde ganz starr vor Wut.
    »Jetzt weißt du ja, wozu die Eisgruft gut ist, Yeats. Es macht dir also sicher nichts aus, einstweilen hier hineinzugehen.« Conrad deutete auf die Kammer des Osiris.
    »Ich finde, du solltest die Waffe fallen lassen, mein Sohn.«
    Conrad traute seinen Augen nicht. Yeats hatte nach hinten gegriffen und eine kleine Pistole hervorgezogen. Damit hatte Conrad nicht gerechnet. Serena auch nicht.
    Yeats lächelte. »Allzeit bereit, wie die Pfadfinder sagen.«
    »Schieß, Conrad!«, rief Serena.
    Conrad machte einen Schritt vor, aber Yeats hielt den Lauf der Waffe an Serenas Schläfe. »Bleib, wo du bist.«
    Conrad machte noch einen Schritt.
    Yeats zog kräftig an Serenas langem schwarzem Haar, bis sie vor Schmerzen aufschrie. »Jetzt oder nie, mein Sohn.«
    Conrad machte einen dritten Schritt.
    »Fallen lassen, habe ich gesagt!« Yeats zog noch fester an Serenas Haar. Conrad war klar, dass Yeats ihr ohne weiteres das Genick brechen konnte.
    »Hör nicht auf ihn, Conrad«, sagte Serena mit letzter Kraft. »Er wird dich umbringen.«
    Aber Conrad brauchte nur in ihre angsterfüllten Augen zu sehen, um sich davon zu überzeugen, dass er kein Risiko eingehen durfte. Er ließ die Waffe sinken.
    »So ist's brav«, sagte Yeats. »Jetzt lass sie fallen.«
    Conrad ließ die Kalaschnikow los. Sie fiel klirrend auf den Boden. Als sie sich ansahen, merkte Conrad, wie Serena die Tränen über das Gesicht liefen.
    »Du bist ein hoffnungsloser Fall, Conrad«, flüsterte sie.

34
Tagesanbruch minus 15 Minuten
    Yeats hob die Kalaschnikow vom Boden auf. Sie waren jetzt nur ein, zwei Meter voneinander entfernt, und Conrad bemerkte nun erst Yeats' wahnsinnigen Blick, der ihm von weitem entgangen war. Der Mann sah aus wie ein im Käfig gefangenes Tier, das verzweifelt kämpfte, um freizukommen.
    »Ich wusste, dass du mich nicht umbringen kannst.« Er hielt Serena fest, die vergebens versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Und ich will dich ganz bestimmt auch nicht umbringen. Es sei denn, du zwingst mich dazu.«
    »Lass sie sofort los.«
    »Sobald du eingefroren bist und nichts mehr anstellen kannst, mein Sohn. Vielleicht kommst du ja wieder zu Verstand, wenn wir, wo auch immer, wieder aufgetaut sind.«
    »Bevor ich mich einfrieren lasse, wirst du mich töten müssen, Dad.«
    Conrad stürzte sich auf die Pistole. Ein Schuss ging los.

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