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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
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Die Kugel grub sich in seine Schulter, und er sackte zu Boden. Benommen griff er an seine Schulter und sah, wie das Blut zwischen seinen Fingern durchrann. Als er aufblickte, kam Yeats auf ihn zu, um ihm den Rest zu geben.
    »Ich werde Osiris von dir grüßen.«
    Yeats wollte gerade mit dem Gewehrlauf zuschlagen, da rollte sich Conrad auf der anderen Schulter nach hinten und versetzte Yeats mit beiden Beinen einen Tritt vor die Brust.
    Yeats wurde zurückgeworfen und von der Spitze des Obelisken, den Serena in der Hand hielt, aufgespießt. Sie schrie laut auf. Yeats wurde mit solcher Wucht getroffen, dass er vor Todesschmerzen brüllte.
    Yeats ließ das Gewehr fallen und taumelte kurz, bevor Conrad ihn in die Eiskammer beförderte. Frostige Nebelschwaden drangen heraus. Conrad schlug die Tür zu.
    Plötzlich war alles ganz still, und außer dem leisen Summen der Energie, die durch Konsolen, Wände und Bodenflächen strömte, war nichts zu hören.
    Conrad hatte alle Mühe, sich in dem Lichtschacht aufrecht zu halten. Serena lief zu ihm und umarmte ihn. Dann spürte sie, wie warm seine Schulter war.
    »Du bist ja überall voll Blut.«
    »Du merkst aber auch alles.«
    Sie riss einen Streifen Stoff aus seinem Ärmel, wickelte ihn um seinen Oberarm und zog ihn fest. Sie merkte, dass Conrad sie anstarrte. »Jetzt hast du ja alles, was du wolltest. Vielleicht sollten wir beide wie im Film Händchen haltend dem Sonnenuntergang entgegengehen.«
    Conrad sah den blutverschmierten Obelisken auf dem Boden liegen. Er hob ihn auf. Irgendwie hatte sie Recht. Er brauchte nur noch sich und Serena in der Sonnenbarke zum vorbestimmten Ziel bringen zu lassen, und er würde endlich das Geheimnis der Urzeit erfahren.
    Er sah sie ungläubig an. »Ist dir klar, was du da sagst?«
    »Ich sage nur, dass wir nicht wissen, ob diese Erdkrustenverschiebung die Welt tatsächlich auslöschen wird. Vielleicht werden die Menschen überleben, vielleicht geht es ihnen wie den Dinosauriern. Aber die einzige Möglichkeit, das Überleben der Menschheit sicherzustellen, ist, auf unserem Kurs weiterzumachen.«
    Conrad blickte in ihre flehenden Augen. Sie war nicht auf seiner Seite, stellte er fest. Sie stand auf der Seite der Menschheit. Und sie war bereit, alles, was ihr lieb und teuer war, dafür aufzugeben.
    »Willst du, dass wir die Welt zur Hölle verdammen?«
    »Nein, Conrad. Wir könnten in einer anderen Welt ein neues Paradies erschaffen.«
    Als er über diese verrückte Idee nachdachte, fing das Schiff an zu rumpeln. Er wischte ihr eine Träne von der Wange. »Du weißt ganz genau, dass wir zurückmüssen.«
    Ja, sie wusste es und sträubte sich nicht, als sie schweigend die Plattform zum Rumpf der Sonnenbarke hinunterfuhren.
    Als sie schließlich einige hundert Meter von der Rampe entfernt an die Oberfläche traten, bebte der Boden stärker als je zuvor. Kaum hatte er Serena aus dem Tunnel gezogen, schoss eine Feuerfontäne in die Luft, versengte ihr Haar und schleuderte beide über den Boden.
    Er sah noch, wie ein Dutzend weitere Geysire rings um die Abschussrampe ausbrachen, als die Sonnenbarke aus dem Krater herausschoss und zum Himmel aufstieg. Conrad sah das Raumschiff mit seinem Vater an Bord, tot oder lebendig, im Universum verschwinden.
    »Ich bete zu Gott, dass du weißt, was du tust, Conrad.« Serena riss ein Stück Schnürsenkel von ihrem Stiefel und band damit die versengten Haarspitzen nach hinten. »Das war nämlich die letzte Maschine ins All.«

35
Tagesanbruch minus 2 Minuten
    Serena stand in der Sternenkammer der P4. Die Tränen flossen ihr über die Wangen, und sie sah zu, wie sich das Deckengewölbe drehte. Der Lärm, den die knirschende Kuppel verursachte, war ohrenbetäubend. Sie verstand nicht, was Conrad sagte. Er stand neben dem Altar und machte ihr Zeichen, zu ihm herüberzukommen.
    »Stell den Obelisken in den Sockel«, rief er ihr zu.
    Sie betrachtete das Zepter des Osiris in ihrer Hand und las noch einmal leise die Inschrift darauf: Nur derjenige, der sich würdig erweist, zur rechten Zeit und am rechten Ort vor den Leuchtenden zu stehen, kann das Zepter des Osiris entfernen, ohne Himmel und Erde auseinander zu reißen. Gab es so jemand Würdiges unter den Menschen überhaupt? Oder hatte der hebräische Prophet Jesaja Recht, als er sagte, dass die menschliche Gerechtigkeit angesichts der Heiligkeit Gottes nur ein ›unflätig Kleid‹ sei?
    »Yeats hatte Recht, Conrad«, sagte sie entmutigt. »Die Erbauer von Atlantis

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