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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
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gesprochen hatte.
    Ein heftiger Ruck ging durch die Kammer, und sie sprang nach hinten. Der Boden tat sich auf, und der Altar fiel mit dem Obelisken den Schacht hinunter und verschwand. Noch bevor sie über den Rand schauen konnte, schloss sich der Schacht wieder. An der Stelle war nun eine Kartusche zu sehen, die das Osiris-Symbol trug. Von unten kam Donnerrollen.
    Plötzlich war es unheimlich still. Serena hörte, wie jemand seufzte. Es klang wie das Seufzen eines jungen Mädchens. Sie spürte, wie ihr eine Träne über die Wange floss, und stellte fest, dass sie selbst das Mädchen war. Irgendwie fühlte sie sich innerlich auf einmal ganz rein, so als wären alle ihre Sorgen und Ängste und ihre Schuldgefühle weggespült worden.
    »Du hast es geschafft«, sagte sie und umarmte Conrad. »Gott sei Dank.«
    »Wie wär's, wenn wir jetzt hier rausgingen?«, sagte er. Von überall her erscholl ein tiefes, beunruhigendes Poltern. Plötzlich fielen die Türen der Kammer herab, und sie waren eingeschlossen.
    Serena stand reglos da. »Conrad, was ist da passiert?«
    »Ich glaube, wir sind jetzt zwei Meilen unter dem Eis lebendig begraben.«

36  
Tagesanbruch
    Vom Vorsprung des Tempels des Wassermanns aus sahen Zawas und seine Leute zu, wie die Sonnenbarke im Himmel verschwand. Die erste Druckwelle erreichte ihr Lager. Zelte brachen zusammen, und Zawas geriet in Panik, als er sah, wie sein einziger noch flugfähiger Helikopter über den Landeplatz auf den Abgrund zuschlitterte.
    »Bringt den Hubschrauber in Sicherheit«, rief er, worauf fünf Ägypter losrasten, um ihn festzuzurren.
    Egal, was mit dem Rest der Welt geschah, sagte sich Zawas, egal, wie viele Küstenstädte vom Meer verschluckt wurden, es gab keinen sichereren Ort auf Erden als den, wo er sich gerade mit seiner Mannschaft befand. Gleichgültig, ob die Erdkrustenverschiebung nun einen Tag oder eine Woche dauerte: Hatte sie erst einmal ihren verheerenden Lauf genommen, wurde der Boden, auf dem sie standen, zum Zentrum der neuen Welt.
    So tröstete er sich immer wieder, wenn seine Gedanken zu seiner Großfamilie in Kairo schweiften, von der die meisten in unzulänglichen ›Luxus‹-Hochhäusern wohnten, die bei einem größeren Beben unweigerlich in sich zusammenfallen würden.
    Plötzlich fühlte sich die Luft ganz warm an, und die Beben wurden stärker.
    Irgendwann bekamen sie eine solche Kraft, dass er seine Strategie, nämlich im Tempel des Wassermanns zu lagern, erneut überdachte und sich fragte, ob es nicht klüger wär, auf offenem Gelände abzuwarten, also in einiger Entfernung von den Gebäuden und Heiligtümern.
    Zawas trat in die Kammer, nahm die Sonchis-Karte, die auf seinem Schreibtisch lag, und rollte sie zusammen mit den amerikanischen Plänen von der Sonnenbarke wieder in die grüne Thermosflasche der Nonne.
    Eine weitere Schockwelle schmiss Zawas fast vom Stuhl. Er hielt sich am Schreibtisch fest, der nun aber auch anfing, sich zu bewegen. Er schraubte die Ummantelung der Thermosflasche fest und warf sie in seinen Rucksack, bevor das Geschrei seiner Leute ihn nach draußen holte. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn mit Grauen zurückschrecken.
    Der Himmel schien einzustürzen.
    Zawas griff nach dem Fernglas und stellte es auf die Eisberge ein, die einen Ring um die Stadt bildeten. Und dann verstand er: Nicht der Himmel fiel herab, sondern die Eisklippen, die die Stadt umgaben.
    Eislawinen stürzten aus allen Richtungen heran und würden sie unter sich begraben.
    »Los, in den Hubschrauber!«, brüllte Zawas. Er winkte seine Leute zu sich, als er in den Eurocopter einstieg und in dem verzweifelten Versuch, sich vor den Lawinen in die Luft zu retten, den Motor anließ. Die Rotoren bewegten sich zunächst gleichmäßig, fingen dann aber zu stottern an.
    Er machte noch einen Anlauf, um die Rotoren in Bewegung zu setzen, während sich im Inneren der Maschine ein Dutzend Ägypter türmten. Als der Pilot das Steuer übernahm, versuchte Zawas mit dem Fernglas abzuschätzen, wie viel Zeit ihnen ungefähr noch blieb.
    Eine Eiswand rückte in den Brennpunkt. Sie war drauf und dran, den Hubschrauber zu zerschmettern und sie alle zu einem blutigen Brei aus Metall und Fleisch zu zermalmen. Zawas blieb das Herz stehen, als er sah, wie die schäumende Lawine unter den Tempel fegte und zum Vorsprung hochschoss. Dann hob sich der Hubschrauber in den Himmel.
    ***
    Serena war es in der Sternenkammer der P4 heiß. Sie kletterte an dem Seil, mit dem Conrad

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