Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
Vom Netzwerk:
sacken. Er merkte, wie sie vibrierte. Die Tür gab nach! Er sprang auf und sah, wie die Eisgruft aufbrach und ein eisiger Nebel in den Gang herausströmte. Er wartete nicht lange, bis der Nebel sich aufgelöst hatte, sondern tauchte ein, um Serena zu suchen.
    Sie befand sich in dem sarkophagähnlichen Gebilde. Ihre Haut war fast blau. Er packte sie und trug sie auf der Schulter in den Gang hinaus, wo er sie auf den Boden legte, um ihr Arme und Beine zu massieren. Sie atmete nur sehr schwach.
    Lieber Gott, betete er leise, lass sie nicht sterben. »Tapfer, Kleines«, wiederholte er immerzu. »Du schaffst es.«
    Langsam kehrte Farbe in ihr Gesicht zurück, und die Atmung wurde tiefer und regelmäßiger. Als sie die Augen öffnete, bekam Conrad einen Schreck, weil ihr Blick so leer und leblos wirkte.
    »Serena, ich bin's, Conrad. Weißt du, wo du bist?«
    Sie stöhnte. Er legte das Ohr an ihre Lippen. »Conrad? Dann muss ich wohl in der Hölle sein.«
    »Gott sei Dank.« Er atmete erleichtert auf. »Du bist wieder ganz die Alte.«
    Sie setzte sich mühsam auf und orientierte sich erst einmal. »Yeats?«
    »Oben in der Kapsel«, sagte Conrad. »Aber vor dem eigentlichen Start muss er noch runterkommen, um sich in die Osiris-Gruft zu legen. Da werde ich ihn abpassen.«
    »Und ich?«
    »Während ich mit ihm beschäftigt bin, gehst du in die Kapsel und holst das Zepter. Egal, was mit mir passiert, du musst verhindern, dass das Schiff abhebt. Dann gehst du zur P4 zurück. Klar?«
    Sie rieb sich die Schläfen. »Du glaubst also wirklich, dass wir die Verschiebung noch stoppen können?«
    »Keine Ahnung, aber wir müssen es versuchen«, sagte er.
    Auf einmal leuchtete der Lichtkreis über der Hauptplattform auf.
    »Er kommt runter«, sagte Conrad. »Ich muss jetzt in Stellung gehen. Du wartest, bis er am Ende des Gangs ist.«
    Serena nickte halbherzig.
    Conrad lief den Gang zur Eisgruft des Osiris entlang. Als er beim Mittelschacht war, kam gerade die Plattform mit Yeats an. Conrad rannte durch den Nebel in die offene Osiris-Gruft, um dort auf Yeats zu warten.
    Während er sich schnaufend an die Wand lehnte, spürte er etwas an seiner Schulter. Er drehte sich um und sah das fremdartige Gehäuse. Das Letzte, was er jetzt brauchen konnte, war, sich aus Versehen selbst für die halbe Ewigkeit in den Eissarg einzuschließen. Die Tür öffnete sich.
    Conrad blinzelte und sah Yeats' Gestalt im Dunst. Er hob die Kalaschnikow und trat vor. »Mission beendet, Yeats.«
    »Bist du das, mein Sohn? Ich bin beeindruckt. Ich wusste ja, dass du mitkommst.«
    »Lass Serena frei, und gib mir den Obelisken.«
    Conrad merkte, wie Yeats' Blick über den Verband an seinen Handgelenken streifte. Er merkte wohl, dass er die Kalaschnikow nicht richtig halten konnte. Wahrscheinlich glaubte er auch einfach nicht, dass Conrad tatsächlich ein Gewehr auf seinen Vater richten konnte. Selbst wenn Yeats gar nicht sein leiblicher Vater war, selbst wenn er ihn oft genug hasste, so war er doch der einzige Vater, den Conrad hatte.
    »Du wirst nicht abdrücken, mein Sohn.«
    »Ach wirklich?«
    »Wenn du mich tötest, vertust du damit deine letzte Chance, deine lebenslange Suche zu beenden«, sagte Yeats. »Nur wenn du mit diesem Obelisken – dem Raumschiff – abhebst und die vorgesehene Reise antrittst, wirst du deine wahre Herkunft entdecken.«
    »Und was passiert mit meinen Mitmenschen?«
    »Du bist kein Mensch, und es ist zu spät, die Welt noch zu retten. Die Menschheit hat sich als nicht würdig erwiesen, und das Geheimnis der Urzeit kann nur am Ende der Reise durchs All mit der Sonnenbarke enthüllt werden. Du bist genauso erpicht darauf wie ich. Verdammt, wahrscheinlich liegt es dir sogar in den Genen.«
    »Sei dir da mal nicht so sicher.« Conrad richtete die Kalaschnikow auf ihn. »Leg deine Waffe weg. Langsam. Mit zwei Fingern.«
    Yeats löste den Lederriemen am Gürtel und nahm vorsichtig die Glock aus ihrem Halfter.
    »Auf den Boden.«
    Yeats legte die Pistole auf den Boden und hob die Arme.
    »Zurück.«
    Yeats lächelte gezwungen, als Conrad die Glock mit dem Fuß wegstieß. »Wir sind uns ähnlicher, als du das zugeben willst.«
    »Du fantasierst, Yeats.« Conrad merkte, dass Yeats Zeit zu schinden versuchte, wohl in der Hoffnung, dass die Sonnenbarke von selbst in eine vorbestimmte Flugbahn schoss. Conrad selbst wartete auf Serena und hoffte, dass sie bald mit dem Zepter herunterkam.
    »Auch ich will alles Mögliche wissen«, sagte Yeats.

Weitere Kostenlose Bücher