Stadt unter dem Eis
vielleicht, deine leiblichen Eltern zu finden?«
»Schon möglich.«
»Glaub mir, Conrad.« Ihre Augen verrieten den Schmerz der eigenen Erfahrung. »Es gibt Antworten, die man lieber nicht kennen sollte.«
»Fass dir an die eigene Nase, Schwester.«
»Conrad, hier geht es nicht um dich oder um mich. Es geht um die Welt an sich und um das Wohl aller. Du musst auch an die anderen Menschen denken.«
»Genau daran denke ich. Es geht hier um eine noch nie da gewesene Entwicklung in der Geschichte der Menschheit. Und ich will, dass die Welt daran teilhat.«
»Nein, du willst vor allem den berühmten Doktor Conrad Yeats raushängen. Zum Teufel mit dem Rest der Welt. Warum sollte es dich auch interessieren? Schließlich sind die Erkenntnisse über die Erde wichtiger als der Planet selbst oder die Menschen darauf. Ist das nicht deine Devise? Du hast dich keine Spur verändert.«
»Wenn du damit unsere Beziehung meinst, da hast du von Anfang an gewusst, woran du warst, du Prinzessin auf der Erbse. Du wolltest einfach keine Verantwortung übernehmen.«
»Damals war ich rein wie Neuschnee, Conrad. Aber du hast auf mich gepinkelt. Genau so, wie du diesen Planeten anpinkeln wirst.«
»Moment mal. Schließlich ist ja nichts zwischen uns gelaufen.«
»Sag ich ja. Aber du hast auch nichts unternommen, um diese Gerüchte zu entkräften.«
»Dafür kann ich nichts.«
»Ach wirklich? Du bist nur ein Handlanger der Vereinigten Staaten, bereit, alle deine Grundsätze von internationaler Zusammenarbeit, Brüderlichkeit und Menschlichkeit zu verraten, nur um deine egoistische Neugier zu befriedigen.«
»Ich will die Welt nicht verändern«, sagte er. »Ich will sie nur verstehen. Und das hier ist so ziemlich der beste Treffer, um herauszufinden, wer wir sind und wo wir herkommen. Bei dir klingt es so nach verbotener Frucht: Wenn wir davon essen, werden wir alle verflucht sein.«
»Vielleicht sind wir das ja bereits jetzt schon, Conrad. Und hat dich nicht gerade das an mir gereizt? Ich war die verbotene Frucht. Genau wie jetzt die Ruinen unter dem Eis.«
»So erreichst du nichts, Schwester. Ich bin jedenfalls fest entschlossen.«
Serena nickte. »Wenn das so ist, kannst du mich genauso gut auch mitnehmen.«
Conrad sah sie ungläubig an. Er war hier, weil er die führende Kapazität für megalithische Architektur war und gleichzeitig der Sohn des Generals, der die Expedition leitete. Serena hatte keinen Fürsprecher. »Du machst wohl Witze.«
»Nehmen wir mal an, ihr findet da unten irgendwelche Inschriften«, sagte sie einfach. »Wer wird sie entziffern? Du vielleicht?«
Es war ihm nicht einmal gelungen, wichtige Informationen aus ihr herauszuziehen, dachte Conrad entmutigt, während sie es geschafft hatte, ihr Gespräch auf diesen Punkt zu bringen. Alles lief genau, wie Yeats es vorausgesagt hatte. Und irgendwie schien sich Serena dessen bewusst zu sein.
»Zugegeben, ich bin kein Sprachwissenschaftler, aber ab und zu habe ich doch das eine oder andere aufgeschnappt.«
»So wie man eine Geschlechtskrankheit aufschnappt?«, schoss sie zurück. »Nein, Conrad, du weißt ganz genau, dass du nur hier bist, weil sie dachten, mich nicht dafür gewinnen zu können.«
Was Conrad am meisten ärgerte, war die absolute Bescheidenheit, mit der sie das sagte. Nicht als Angeberei, sondern wie eine einleuchtende Erklärung. Dann merkte Conrad, dass ihre Worte an die Überwachungskamera an der Decke gerichtet waren. Sie hatte die ganze Zeit über mit Yeats gesprochen.
»Du bist unglaublich, weißt du das? Absolut unglaublich.«
Sie lächelte ihn mit einem warmen Lächeln an, das Eis hätte zum Schmelzen bringen können. »Hättest du mich lieber anders?«
9
Entdeckung
plus 24 Tage, 16 Stunden U.S.S. Constellation, Südlicher Ozean
»Dieser verdammte Yeats«, fluchte Admiral Hank Warren.
Von der Brücke des Flugzeugträgers aus beobachtete Warren, der klein und kräftig gebaut war, mit dem Fernglas die schwarzen Umrisse der Trägerkampfgruppe U.S.S. Constellation. Sie lagen zwanzig Meilen vor der Küste der Ost-Antarktis. Warrens Auftrag bestand darin, bis auf weiteres zu verhindern, dass die Kampfgruppe entdeckt wurde.
Zu diesem Zweck waren alle Radare und Satellitengeräte abgeschaltet worden. Nur Nahfunkgeräte waren genehmigt. Auf Deck waren Soldaten mit speziellen Fern- und Nachtsichtgläsern postiert, die den Horizont nach feindlichen Schiffen und U-Boot-Periskopen absuchen sollten.
Die Kampfeinheit sollte sich also in
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