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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
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kannte sie ihn nur aus Conrads Erzählungen. Sie traute ihm nicht. Wie es so schön bei Emerson heißt: »Du sprichst so laut, dass ich nicht verstehe, was du sagst.« Yeats war im Grunde seines Herzens ein Schuft, und seine Expedition war eine einzige Schandtat. Er konnte sich nur besser verstellen als Conrad, der erfrischend ehrlich und bisweilen sogar recht charmant mit seinen Schwächen umging. Ihr war jedenfalls klar, dass er nicht aus Herzensgüte ihrer Teilnahme zugestimmt hatte und schon gar nicht wegen ihrer Fähigkeiten als Sprachwissenschaftlerin.
    »Was war es noch gleich, warum Sie Ihre Meinung geändert haben und mich mitzockeln lassen?«
    »In erster Linie, weil ich bei der NASA die Erfahrung gemacht habe, dass Frauen immer eine angenehme Bereicherung in einer Astronautenmannschaft sind.«
    Genauso eine sexistische Bemerkung hatte sie erwartet. »Na so was. Und ich hätte gedacht, es liegt daran, dass Frauen präziser und akribischer arbeiten und überhaupt eher zum Multitasking befähigt sind als Männer.«
    »Wenn sie nicht gerade zu emotional reagieren oder zu aufgeregt sind«, antwortete Yeats und verschwand aus dem Sichtfeld, gerade als Conrad sich neben sie abgeseilt hatte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Serena seufzte und schüttelte den Kopf. »Dein Vater kann's einfach nicht lassen.«
    »So ist er nun einmal«, sagte Conrad tonlos. »Wenn er erst mal auf was programmiert ist, macht er immer weiter, bis zum bitteren Ende.«
    »Und lässt eine Blutspur hinter sich.«
    »Wir sollten ihn also lieber nicht so weit vorlassen«, sagte Conrad und seilte sich weiter ab.
    Serena folgte ihm. Im tropischen Klima hatte er sich als ausgezeichneter Bergsteiger erwiesen. Unter den Bedingungen im Eis konnte eine Selbstüberschätzung allerdings tödlich sein. Sie machte sich Sorgen um ihn. Und um seine Seele. Um ihre auch. Sie hatte schon einmal versucht, ihn zu retten, und nun plagte sie das Gefühl, sie beide verdammt zu haben.
    Conrad war jetzt außer Reichweite. Sie ließ sich einige Meter ab und fand etwas Halt an einem Absatz. Das Eis war von einem herrlichen Blau und schien fast zu leuchten. »Wunderschön«, sagte sie.
    »Serena, nicht stehen bleiben, lass dich weiter ab …« Conrad sprach äußerst hastig.
    Serena seilte sich langsam weiter ab. Conrads Gesichtsausdruck beunruhigte sie. Hyperventilierte er etwa? Sie merkte jedenfalls, dass sie selbst unnatürlich schnell atmete. Ihr Herz schlug nun ebenfalls noch schneller, wenn auch gleichmäßig. Sie sank weiter.
    Conrad winkte sie mit dem dicken Handschuh zu sich. »Hier runter. Und? Siehst du sie?«
    Serena schaute angestrengt in den Nebel. Eine Lücke tat sich auf, und sie sah, wie das Licht sich auf so etwas wie einen Landeplatz verteilte. »Ja, schon.«
    »Nein, ich meine, siehst du sie wirklich?«
    Plötzlich erkannte Serena, dass der Landeplatz in Wirklichkeit die abgeflachte Spitze einer leuchtend weißen Pyramide war, die steil aus der Tiefe des Abgrunds emporragte. Sie musste ihre Augen vor der Leuchtkraft schützen.
    »Die P4«, hörte sie sich leise sagen.
    »Frag mich bloß nicht, wie die hierher gekommen ist.« Conrad setzte seine Sonnenbrille auf. »Es wird noch eine Weile dauern, bis ich eine Erklärung habe.«
    Die feste Überzeugung in seiner Stimme schaffte Vertrauen. Seine Aufregung war echt, unverfälscht und ergreifend. Keine Spur von Angst, dachte Serena neidisch, einfach schlichte Neugier und schlichter Enthusiasmus. Sie hatte dieses Gefühl schon fast vergessen.
    Nun setzte auch sie sich die Sonnenbrille auf. Die abgeflachte Spitze, noch weißer als Schnee, blendete sie. Deshalb hatte der Papst sie also geschickt. Zwar hatte sie etwas Spektakuläres erwartet, aber sie war nicht auf das vorbereitet gewesen, was sie jetzt sah, auf die Ausmaße des Bauwerks. Es war gigantisch.
    Sie starrte die Pyramide voller Staunen an, da hörte sie auf einmal, wie ihr Seil quietschte.
    »Das ist normal, wenn das Seil sich spannt«, sagte Conrad. »Hat nichts zu sagen. Weiter.«
    Wieder hörte sie ein durchdringendes Quietschen, diesmal aber auch das Klicken von Metall. Der Eishaken, der ihr Seil hielt, löste sich, und sie glaubte schon, sie würde fallen.
    »Hilfe!«, schrie sie, schlug den Eispickel in die Wand und hielt sich daran fest. »Conrad!«
    Conrad antwortete nicht. Sie drehte sich um. Er war verschwunden.
    Sie hörte einen Pfeifton, sah Conrads Umrisse in den Nebel verschwinden. Das Seil neben ihr spannte

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