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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
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sich.
    »Conrad!«, schrie sie wieder und starrte in den Dunst.
    Dann sah sie einen Schatten, der auf sie zugeklettert kam. Es war Yeats.
    »Sie hätten ihn erst ins Grab bringen sollen, wenn alles vorbei ist.« Er ließ die Augen über die Nebelschwaden in der Tiefe wandern und zog dann mit einem Finger am Seil. »Er hängt noch dran.«
    Serena hörte ein Knacken und sah, wie sich der Eishaken, mit dem Conrads Seil befestigt war, löste. »Mein Gott! Conrad! Nicht loslassen!«
    »Scheiße.« Yeats sah Serena an.
    Instinktiv zog sie den Eispickel heraus und warf ihn Yeats zu, der den Arm schützend vor sich hielt. »Hier, fangen Sie!«, rief sie und tauchte auch schon in die Tiefe.
    Sie stürzte durch den Nebel und raste auf das Licht zu, bis sich das Seil spannte. Mit einem Ruck wurde sie abgebremst. Es fühlte sich an, als hätte sie sich das Becken gebrochen. Aber die Gurte hatten sich bewährt.
    Ihr verschlug es den Atem. Etwas quietschte in der Stille. Es war ihr winddichter Parka, der beim Hin-und-her-Schwingen am Nylonseil scheuerte.
    »Conrad?«
    »Hier drüben«, antwortete er. »Ich habe was entdeckt.«
    Sie drehte den Kopf in die Richtung, aus der seine Stimme kam, und mithilfe der Stirnlampe konnte sie sehen, dass er drei Meter von der Wand entfernt baumelte, wo nirgends ein Halt zu sehen war.
    »Warte«, sagte sie und schwang zu ihm hinüber. Sie brauchte drei Anläufe, bevor sie ihn erreichte. Sie streckte ihre Hand aus, und er ergriff sie, hielt sie fest und zog Serena zu sich. Einen kurzen Augenblick lang klammerten sie sich aneinander und schwangen gemeinsam über dem Abgrund.
    »Hör mit dem Bungeejumping auf, Conrad.« Sie bemühte sich, ihre Angst mit Sarkasmus zu überspielen.
    »Schau mal!«, rief er.
    Sie drehte sich im Dunkeln um. Ihre Stirnlampe tauchte die Wand in Licht. Da war etwas im Eis. Ihre Augen stellten sich auf die Beleuchtung ein. Ihr gegenüber war ein kleines Mädchen zu sehen, für immer im Eis gefangen.
    »Jesus Maria«, flüsterte sie.
    »Du hast mir doch mal gesagt, wir treffen uns erst wieder, wenn die Hölle zu Eis wird? Erinnerst du dich? Jetzt ist es so weit.«
    Der Nebel zog nach oben, und das Licht beschien auf einmal die ganze Wand. Sogleich sah Serena hunderte von Menschen mit vor Angst erstarrten Gesichtern. Sie schienen alle gleichzeitig zu schreien. Serena hielt sich die Ohren zu. Sie war diejenige, die schrie.

12
Abstieg, 3. Stunde Raumkapsel
    Eine Stunde später waren sie in der warmen Raumkapsel auf der P4. Serena lag auf dem aufgeklappten Operationstisch. Conrad sah sie besorgt an. Sie blinzelte unter dem grellen Scheinwerferlicht. Man hatte ihr eine Sauerstoffmaske über das Gesicht gestülpt und am Oberkörper mehrere EKG-Elektroden angebracht. Das Haar war ihr aus dem Gesicht gestrichen worden. Zudem hatte man den Gürtel ihrer Hose gelockert.
    Conrad deutete auf das beschlagene Bullauge, durch das die amerikanische Flagge zu sehen war, die Yeats auf der Spitze der Pyramide gehisst hatte.
    »Konzentrier dich auf die Flagge, und atme tief durch«, sagte er und verabreichte ihr Sauerstoff.
    Sie hatte keinen Parka und keinen Pullover mehr an, und nur mit Mühe konnte er es vermeiden, auf ihren vollen Busen zu starren, der sich unter ihrem Wollhemd auf und ab bewegte. Seit sie den Grund der Eisschlucht erreicht hatten, hyperventilierte sie. Anscheinend hatte ihr das offene Grab im Eis einen furchtbaren Schrecken eingejagt. Conrad sah auf den EKG-Monitor. Langsam kehrte ihre Herzfrequenz wieder in den Normalbereich zurück.
    »Besser?«, fragte er gleich darauf.
    Sie sah ihn an, als wäre er völlig verrückt.
    Conrad ließ den Blick durch das voll gestopfte Habitat schweifen, das unten in der Schlucht auf der flachen Spitze der Pyramide errichtet worden war. Die Kapsel war 16 Meter lang und vier Meter breit. Yeats drängte sich mit den drei Technikern um die Monitore. Lieutenant Lopez war auch dabei. Conrad hatte die Offiziere bereits in der Eisstation Orion gesehen. Die anderen beiden, zwei blonde Muskelprotze, die gut eineiige Zwillinge sein konnten, hörten auf die Namen Kreigel und Marcus. Das waren hier unten eindeutig die Handlanger von Yeats.
    Conrad wandte sich seinem Vater zu. »Gibt es irgendeinen Grund, warum du die Leichen im Eis nicht erwähnt hast?«
    »Ja, natürlich. Ich wollte eure Reaktion testen.«
    Conrad blickte Yeats an und deutete auf Serena. »Und, zufrieden mit dem Resultat?«
    »Hör schon auf zu jammern.« Yeats stand auf. Er hielt

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