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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
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zu geben, schön für dich.«
    Conrad erstarrte. Er hatte geglaubt, sie wäre von dem Beweismaterial genauso erregt wie er, sie wäre sozusagen vom gleichen Schlag. Stattdessen stellte sie seine Schlussfolgerungen aber offenbar infrage. Mehr noch, sie griff ihn persönlich an. Er nahm es ihr übel, dass sie eine einleuchtende Hypothese von einem der größten Köpfe der Menschheitsgeschichte so leichthin abtat – selbst wenn sie eine Frau des Glaubens war.
    »Hat der Vatikan vielleicht eine bessere Theorie?«
    Serena nickte. »Ja, die Sintflut.«
    »Alles ein und dasselbe«, sagte Conrad. »Beides fällt in die Kategorie: Gott, der verrückte Völkermörder.« Kaum waren die Worte gesprochen, bereute er sie auch schon.
    »He, Moment mal. Passen Sie auf, was Sie sagen«, mischte sich eine Frau hinter ihnen ein.
    Conrad drehte sich um und sah, wie Lopez ihn ärgerlich anblickte. Noch so eine Katholikin, dachte er.
    Lopez wandte sich an Serena: »Soll ich ihm einen Tritt in den Hintern verpassen?«
    Serena lächelte. »Danke, aber er kriegt so schon genug ab.«
    »Na gut, aber das Angebot steht«, sagte Lopez und machte sich wieder an die Arbeit. Kreigel und Markus, die arischen Zwillinge, schienen enttäuscht zu sein. Conrad vermutete, dass sie Lutheraner waren, Agnostiker oder einfach nur gute deutsche Brut, die sich zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort als Musterknaben in Hitlers SS ausgezeichnet hätten.
    Serena nahm ihren Parka und schlüpfte in die Ärmel. »Was willst du damit behaupten, Conrad?« Sie wollte den Reißverschluss hochziehen, aber die EKG-Drähte waren im Weg. »Dass Gott an allen Hungersnöten, Kriegen oder lüsternen Blicken schuld ist?«
    Sie sah ihm direkt ins Gesicht. Ihre warmen, braunen Augen klagten ihn gleichzeitig an und vergaben ihm. Das Ganze machte ihn nervös. Vielleicht hatte er ihren Busen ja tatsächlich etwas zu lange betrachtet, dachte er. Er war ja auch nur ein Mensch. Und selbst wenn sie das nicht zugeben konnte, sie war auch einer.
    »Ich habe genau gemerkt, wie du das Mädchen im Eis angesehen hast«, sagte Conrad sanft. »Als ob du dich selber betrachtet hättest. Der Fluch der Sintflut war wohl kaum als Strafe gedacht.«
    »Der Regen fällt gleichermaßen auf die Gerechten und Ungerechten«, sagte sie abwesend. »In diesem Fall natürlich das Eis.«
    Conrad merkte, dass sie mit den Gedanken schon längst woanders war. Ihre EKG-Werte wurden wieder unregelmäßiger.
    Er deutete auf die Monitore. »Vielleicht sollten wir dich wieder nach oben bringen und jemand Kräftigeren holen.« Er deutete auf die Monitore und half ihr mit den EKG-Drähten. »Ich will nicht, dass dir etwas passiert.«
    Ärgerlich schob sie ihn mit der Schulter zur Seite und riss die EKG-Schnüre ab. »Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten.«
    Conrad griff sich an den Kopf und starrte sie ungläubig an. »Widersprüchlicher geht's wohl nicht mehr, was?«
    Sie zog den Reißverschluss ihres Parkas zu und sprang auf. »Wer ist hier widersprüchlich, hä?«
    Conrad rührte sich nicht. Er merkte, wie Lopez ihn interessiert anstarrte. Kreigel und Markus auch. Die beiden Soldaten schienen geradezu erpicht darauf zu sein, dass die gute Nonne dem bösen Archäologen das Knie in die Eier rammte.
    Die Luke öffnete sich, und zusammen mit eisiger Zugluft kehrte Yeats in die Kapsel zurück.
    »Du hast Recht behalten«, sagte Conrad kühl zu seinem Vater. »Ihr geht es wieder gut.«
    »Prima. Macht euch jetzt bereit. Wir steigen in die P4. Die Bohrmannschaft hat soeben den Schacht gefunden!«

13
Abstieg, 4. Stunde Erste Kammer
    Der Schacht war ungefähr zwei Meter breit und zwei Meter hoch, schätzte Serena und neigte sich in die Finsternis. Die Auslosung mittels einer Münze hatte Serena die Ehre verschafft, als Erste hineingehen zu dürfen, nachdem die Bohrmannschaft den umgerüsteten sechsrädrigen Marsrover mit einer Lötlampe und einer Kamera den Schacht hinuntergelassen hatte. Der fernbediente Roboter hatte Conrads Vermutung bestätigt: Der Schacht führte direkt in eine Kammer inmitten der P4.
    Als Serena an dem Geländer stand, das die Amerikaner entlang der Nordseite der P4 errichtet hatten, und in die Schachtöffnung blickte, spürte sie heftiges Herzklopfen. Sie war immer noch von dem Anblick des kleinen Mädchens im Eis verstört, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass eine ganze Kultur auf einen Schlag vernichtet worden war. Wenn dem Kind nur nicht diese entsetzliche Angst in den Augen

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