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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
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von hier zu entfernen, aber er war jetzt schon sehr lange fort. Ewig konnte sie nicht warten. Und außerdem: Konnte sie sich wirklich sicher sein, dass Conrad sie mit seinem eigenmächtigen Erkundungsgang nicht im Stich ließe? Ihr hingegen war völlig klar, was sie tun musste. Sie musste das Zepter zum Heiligtum der Ursonne bringen. Dort hoffte sie, das so genannte Geheimnis der Urzeit zu enthüllen, um dadurch das zu stoppen, was gerade geschah.
    Was Conrad betraf, konnte sie ihm einfach nicht trauen, genauso wenig, wie sie das bei Yeats hatte tun können. Wenn es darauf ankam, konnte sie sich nicht einmal auf den Papst oder Gott verlassen. Wie konnte Er das alles überhaupt zulassen – und auch noch zum wiederholten Mal? Sie musste an das Mädchen im Eis denken. Sie konnte den Gesichtsausdruck nicht vergessen. Gott konnte Derartiges jederzeit noch einmal geschehen lassen. Sie würde das aber nicht zulassen.
    Sie steckte den Obelisken in ihren Rucksack, hievte ihn auf ihre Schultern und ging dann durch den inzwischen wieder geöffneten Durchgang hinaus. Der Tunnel brachte sie zu einer Gabelung am Ende des großen Gangs. Sie nahm den Mittelgang, der nach unten führte, aus der P4 hinaus.
    ***
    Als Serena aus der dunklen Pyramide ins Tageslicht eintauchte, kam ihr die Sonne so strahlend vor wie noch nie. Es war heiß, aber die Hitze war von jener trockenen Beschaffenheit, die sie mochte. In der Antarktis herrschte eben Wüstenklima, ob nun mit oder ohne Eis, dachte sie, während sie die Hand vor die Augen hielt. Wahrscheinlicher rührte die Hitze von der gewaltigen geothermischen Maschinerie her.
    Nachdem sich ihre Augen kurz darauf an das Licht gewöhnt hatten, merkte sie, dass sie sich auf dem Grund eines riesigen Kraters im Eis mitten in einer Stadt befand. Weiter hinten ragten Eiswände in die Höhe und bildeten einen spektakulären Hintergrund für diese Wüstenlandschaft mit ihren Pyramiden, Obelisken, Tempeln und Wasserläufen. Sie konnte das Rauschen eines entfernten Wasserfalls hören.
    Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Die frische, sauerstoffreiche Luft überwältigte ihre Sinne. Genau wie die Erkenntnis, dass es hier unten wahrscheinlich jahrhundertelanger Forschung bedurfte und dass, selbst wenn sie tausend Leben hätte, sie gerade mal anfangen könnte, die Geheimnisse dieser Stadt aufzudecken.
    Was auch sonst noch geschehen sollte, diese Entdeckung veränderte die Menschheitsgeschichte von Grund auf.
    Während sie die Augen noch geschlossen hielt, glaubte sie einen Hund bellen zu hören. Das ist doch lächerlich, dachte sie. Eigentlich sollte sie jetzt beten und auf eine innere Botschaft des Heiligen Geistes oder eine Anweisung Gottes lauschen. Aber außer dem Bellen, das immer lauter und aufgeregter wurde, war nichts zu hören. Sie blinzelte und sah nun, wie Nimrod, Yeats' Husky, auf sie zutrottete.
    Serena war über die Freude, die daraufhin in ihr aufkam, selbst erstaunt und rief ihm zu: »Ja, komm schon!«
    Nimrod sprang in ihre Arme und leckte ihr Gesicht ab.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie ihn. »Ist mit den anderen auch alles okay?«
    Nimrod drehte sich sofort um, rannte in die andere Richtung und blickte immer wieder zu ihr zurück.
    »Du willst wohl, dass ich dir folge, was?«
    Nimrod bellte und rannte jetzt weiter, ohne noch einmal zurückzuschauen.
    Eine halbe Stunde lang folgte Serena dem Hund den Hauptwasserweg der verlassenen Stadt entlang. Je länger sie liefen, desto weniger kam sie sich wie in einer Stadt vor. Nichts wies darauf hin, dass hier jemals Menschen gelebt hatten. Es gab keine Straßen, nur Wasserläufe. In einigen glitzerte das Wasser, andere waren trocken. Auch der Boden zwischen den einzelnen Gebäuden war trocken. Keine Pflanze, nichts. Was sich natürlich innerhalb ein paar Tagen ändern konnte.
    Möglicherweise lagen die Wohnhäuser ja außerhalb, wo sie noch unter dem Eis begraben waren. Diese von einer kalten Pracht geprägten Gebäude erinnerten sie an jene Stadt voller aufgelassener Ölfördertürme, die sie am Kaspischen Meer in der ehemaligen Sowjetunion einmal bereist hatte: meilenweit nichts als verrostete Rohrleitungen, durch die man mit einem Lastwagen hätte fahren können, und gespenstische Raffinerien, die sich wie Müllberge am Horizont erstreckten.
    Sie hatte auch das ungute Gefühl, beobachtet zu werden, obwohl sie wusste, dass es absurd war. Weit und breit war niemand, der sie hätte sehen können. Natürlich war Nimrod hier.

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