Stadt unter dem Eis
voraussagen«, wandte Warren ein, der die Bestimmtheit, mit der der grüne Aktivist sprach, beklemmend fand. »Wenn Sie die alten Fünfjahresvorhersagen des Pentagons gelesen hätten, wüssten Sie das. Und wie lange soll dieser angebliche Todesring brauchen, um uns alle auszulöschen?«
»Das kann ich nur schätzen, aber meine Hochrechnungen sagen eine Erdkrustenverschiebung innerhalb der nächsten paar Tage voraus, die binnen einer Woche abgeschlossen sein wird.«
Warren war fassungslos. »Diese ganze Zerstörung soll in ein paar Tagen stattfinden?«
»O Mann, laut Schöpfungsgeschichte hat Gott schließlich auch nur sechs Tage gebraucht, um die Welt zu erschaffen«, sagte Larson. »Warum sollte eine Erdkrustenverschiebung länger brauchen, um sie zu zerstören? Es ist wie mit einer Spule, die sich, wenn sie erst einmal angefangen hat sich zu drehen, mit unaufhaltsamer, verheerender Schnelligkeit abrollt.«
Warren lehnte sich vor. »Ist so was schon einmal passiert?«
»Ja, mehrere Male.«
»Und Sie waren vermutlich dabei, um alles genau zu protokollieren, ja?«
»Schön wär's«, sagte Larson. »Die letzte Verschiebung liegt ungefähr 11.600 Jahre zurück, also etwa um das Jahr 9600 vor unserer Zeitrechnung. Den geologischen Aufzeichnungen nach haben damals gewaltige Klimaveränderungen den Planeten überzogen. Ganze Eisplatten schmolzen weg, und der Meeresspiegel stieg. Massenweise sind riesige Säugetiere verschwunden. Es gab eine gigantische Völkerwanderung in Richtung Mittel- und Südamerika. Ehrlich, da war schwer was los.«
»Und das passiert alle 12.000 Jahre?«
»Nein, alle 41.000 Jahre«, sagte Larson, dem plötzlich die Luft auszugehen schien. Er ließ sich in einen Sessel plumpsen. »Die nächste Verschiebung dürfte also eigentlich erst in 30.000 Jahren stattfinden. Irgendwie wurde der Kreislauf beschleunigt. Keine Ahnung, wie.«
Warren konnte sich noch weniger einen Reim darauf machen. Aber er war sich verflucht sicher, wer für das Ganze verantwortlich war. »Und wann ist es so weit?«, fragte er. »Wie schnell läuft der Countdown ab?«
»Die Verschiebung müsste uns morgen bei Tagesanbruch erreichen.« Mit glasigen Augen fing Larson an, mit den Fingern abzuzählen. »Mist, das sind weniger als fünfzehn Stunden. Nur noch eine Nacht für die Freuden dieser Welt, und dann ist alles futsch.«
Admiral Warren starrte den Knaben fassungslos an und hoffte, dass dessen Doktortitel nichts als fauler Zauber war. Sonst säßen sie übel in der Tinte.
24
Tagesanbruch minus 14 Stunden
Serena lief in der Obelisken-Kammer auf und ab, während sie auf Conrad wartete.
Irgendetwas musste gründlich schief gelaufen sein. Sie konnte es in der Luft riechen und in ihren Knochen spüren. Etwas von gigantischem Ausmaß, etwas außerordentlich Bedeutendes war geschehen. Ihr war schrecklich flau im Magen, so als ob sie stundenlang nichts gegessen oder getrunken hätte, außer einen Espresso nach dem anderen zu sich zu nehmen. Hätte sie doch nur schon früher auf ihre Zweifel reagiert oder Conrad weiter zu überreden versucht, oder Yeats länger hingehalten.
Während sie umherwanderte und nachdachte, blickte sie beklommen auf den leeren Altar in der Mitte. Einen schrecklichen Augenblick lang hatte er sich wie ein Höllenschlund geöffnet und dabei Kowitsch eingeäschert und Yeats verschlungen.
Vielleicht war es so etwas wie ein geothermischer Wind gewesen, etwas, was die Hitze in der Erdmitte anzapfen und die Energie nutzen konnte. Schließlich produzierten Brennstoffzellen die Nebenprodukte Hitze und Wasser. Und von beiden gab es in der P4 wahrlich genug.
Auf jeden Fall befolgte die P4 die vorprogrammierten Anweisungen ihrer Erbauer, wer immer diese auch gewesen sein mochten. Es war eindeutig beabsichtigt, eine Art weltweite Zerstörung zu inszenieren, falls die Menschheit nicht rechtzeitig ihr Dasein rechtfertigte, indem sie sich als ›ehrwürdig‹ erwies.
Serena sah sich nach allen Seiten um und zog dann das Zepter des Osiris aus ihrem Rucksack. Sie hielt den leuchtenden Obelisken in der Hand. Intuitiv hatte sie Conrad angelogen und ihm verschwiegen, dass sie sich den Gegenstand unter den Nagel gerissen hatte.
Sie ging zum Altar hinüber und setzte dort das Zepter behutsam in den runden Sockel. Rumpelnd drehte sich die gewölbte Sternendecke. Serena gab sich Mühe, die Gestirne so zu stellen, wie sie positioniert waren, bevor Conrad den Obelisken entfernt hatte. Die Drehbewegung stoppte. Serena
Weitere Kostenlose Bücher