Stadt unter dem Eis
aus.
»Mein Gott«, wollte sie gerade sagen, da erschien auf Nimrods Fell in Brusthöhe ein leuchtend roter Fleck. Eine Sekunde später schoss das Blut nur so heraus. Sie sprang auf und schrie.
Ein Dutzend arabische Soldaten in UNACOM-Uniformen umstellten sie und hielten ihre Kalaschnikows im Anschlag. Ihr Befehlshaber machte einen Schritt aus dem Kreis heraus und sprach in sein Funkgerät.
»Jamil hier«, sagte er auf Arabisch. »Wir haben einen Überlebenden gefunden. Eine Frau.«
Serena glaubte, dass er mit ägyptischem Akzent sprach. Die Antwort, die aus dem Funkgerät drang, bestätigte ihre Vermutung: »Bring sie zu mir.«
»Jawohl.«
Bevor sich Serena rühren konnte, gab Jamil einem seiner Männer ein Zeichen, worauf sie dieser übereifrige Grünschnabel auf den Boden warf, um sie mit beachtlichem Kraftaufwand unten festzuhalten. Er riss ihren Overall auf, griff hinein und tastete sie überall ab.
»Was haben wir denn hier?«, sagte der Soldat mit saudiarabischem Akzent und zog ein Schnappmesser heraus.
Der Saudi hielt das Messer hoch und ließ die Klinge aufspringen, worauf prompt das Gelächter seiner Kameraden einsetzte. Dann schleuderte er das Messer durch die Luft. Es grub sich in den Boden. Seine Augen schienen Feuer zu versprühen, während er nun mit in die Hüften gestemmten Armen über Serena stand.
Jetzt reichte es ihr. Der Saudi wollte gerade weggehen, da trat sie ihm mit voller Wucht in den Unterleib. Er wich vor Schmerz zurück. Serena sprang auf und wollte ihr Knie gerade in sein gebeugtes Gesicht stoßen, da zeichneten sich plötzlich rote Punkte auf ihrem Oberkörper ab. Beim Aufschauen sah sie, wie zahlreiche Kalaschnikows auf sie gerichtet waren.
Serena streckte die Arme hoch und ergab sich. Sie blickte zu dem Saudi hinüber, den sie getreten hatte. Er kroch auf allen vieren auf dem Boden. Ein anderer Araber, seinem Akzent nach ein Afghane, stellte sich hinter sie und führte sie vor Jamil.
Jamil schien von ihrer Vorstellung begeistert zu sein. »Na, was haben wir denn da?«
»Zeig ich Ihnen gleich«, sagte Serena auf Arabisch. Mit ihrem Ellenbogen stieß sie dem Afghanen hinter ihr ins Gesicht. Er schrie auf und ließ seine Waffe fallen. Serena brachte die Kalaschnikow an sich und richtete es auf den verwundeten Soldaten.
»Lassen Sie mich gehen«, sagte Serena zu Jamil, wobei sie dem Afghanen das Gewehr in den Rücken drückte. »Oder ich töte diesen Mann.«
»Sie könnten keiner Fliege etwas zuleide tun, Mademoiselle.«
Jamil zog einen Colt mit Perlmuttgriff heraus, richtete ihn auf Serenas Geisel und erschoss sie. Serena sah fassungslos zu, wie der Afghane zu Boden sackte. Jetzt war sie Jamil schutzlos ausgeliefert.
»Mademoiselle, bitte geben Sie das Zepter des Osiris heraus, oder ich muss sie ebenfalls erschießen.«
»Sie wissen über das Zepter Bescheid?«
»Erschießt sie«, sagte einer der Soldaten zu Jamil.
Jamil lächelte. »Nicht bevor sie mir alles erzählt hat.«
Der Wind nahm zu. Serena blickte nach oben und sah, wie sich ein Hubschrauber näherte. Es war ein französisches Modell, ein AS365 Dauphin. Sie selbst hatte diesen Eurocopter auch schon mehrmals geflogen. Er gehörte offensichtlich den Leuten von der UNACOM, jedenfalls schien sich Jamil nicht besonders darum zu scheren.
»Das Zepter, sagte ich.«
»Ich habe es an einem sicheren Ort versteckt«, antwortete Serena. »Lassen Sie mich gehen, dann führe ich Sie hin.«
Einer von Jamils Leuten, der Serenas Rucksack durchwühlte, rief plötzlich zu ihnen herüber und zog den Obelisken heraus.
Jamil nahm den Obelisken in die Hand, begutachtete ihn kurz, sah dann Serena an und lachte los. »Sagen Sie Oberst Zawas, dass wir das Zepter des Osiris gefunden haben.«
25
Tagesanbruch minus 13 Stunden
Am späten Nachmittag blickte Conrad von seinem Hochsitz auf dem Gipfel der P4 aus der Vogelperspektive über die verlorene Stadt. Wenn Dad das alles sehen könnte, dachte er, während er aus der Schachtöffnung schaute.
Die Stadt lag mit ihren konzentrisch angelegten Wasserwegen wie zu einem Gitter zusammengefügt da. Breite Straßen mit kleinen und größeren Tempeln an den Seiten liefen strahlenförmig vom P4-Komplex nach außen. Die inselartige Ansiedlung erinnerte ihn an die Straße der Toten im mexikanischen Teotihuacan. Irgendwie aber auch an die National Mall in Washington.
Die Totenstadt war ungefähr eine Meile lang, und die P4 bildete das Zentrum. Im Osten schloss eine sphinxartige Konstruktion
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